einen Vergleich beider Werke innerhalb ihrer aktuellen Rezeption. Wohlgemerkt ist dies keine empirische Arbeit, sondern eine ästhetisch-theoretische. Es soll die zeitgenössische Rezeption von Bach und Pärt explizit theoretisch erörtert werden, gerade um die Behebung der bemängelten hermeneutischen Defizite auch hermeneutisch zu lösen. Dies geschieht, indem das musikalische Material der beiden Kompositionen vor dem Hintergrund eines fiktiven Rezipienten des ausgehenden 20. Jahrhunderts reflektiert wird. Anhand der ästhetischen Erfahrung dieses gedachten Hörers werden die Johannespassionen von Pärt und Bach miteinander verglichen. 2 Rezeptionsästhetische MethodikFolgende Punkte gelten in der Rezeptionsästhetik als zentral:
Rezeptionsästhetik begreift das Material des Kunstwerks als "Wirkungsstruktur"(Iser 1976), als Potential von möglichen Wirkungen, die das Material hervorrufen kann. Damit verabschiedet sich die Interpretation von dem Gedanken, daß sich ein Kunstwerk auf einen einzigen Sinn zurückführen läßt. Zugleich ist dadurch die Relativierung des Autors als urheberrechtlicher Sinnstifter zugunsten einer Pluralität der Bedeutungen gegeben. Hans Robert Jauß zufolge ist die Ïdentität eines musikalischen Werkes nicht notwendigerweise in einem definitorischen Sinn begründet"(Jauß 1991, 15), sondern vielmehr als Sinnpotential zu begreifen. Demnach wird die Werkanalyse der Johannespassionen deren materiale Strukturen auf mögliche Wirkungspotentiale hin untersuchen. Zu welchen Selektionen von Sinn es im Rezeptionsprozeß kommen kann, führt uns zur "Frage nach den Bedingungen der Sinnkonstitution"(Iser 1976, 65), die rezeptionsästhetisch jedoch erst durch den |