- 113 -Kayser-Kadereit, Claudia: Das Laiensinfonieorchester im Horizont von Anspruch und Wirklichkeit 
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oder in gewohnt traditionelle zu klassifizieren. Dies verunsichert auch die Presse und die öffentliche Meinung in ihrem Urteil über Laienorchester, da differenzierte Kriterien nicht ohne weiteres im allgemeinen Bewußtsein vorausgesetzt werden können. Andererseits werden von Laienorchestern auch soziale Aufgaben wahrgenommen, wie es immer wieder als ihr spezieller Auftrag formuliert wurde.67
67 Vgl. Kap. 4.3.
Aber diese soziale Zielsetzung scheint rückläufig zu sein und durch ein wachsendes Interesse an Konzertpräsentationen im In- und Ausland ersetzt zu werden. Die musikalische Arbeit wird dabei mit einem außermusikalischen Bildungszuwachs ethnologischer und landeskundlicher Art verbunden. Die Werkauswahl erfährt hierdurch aber keine erkennbare Neuorientierung.

5. Paradoxerweise stehen sich eine Stagnation einzelner Bereiche des Repertoires und eine insgesamt kontinuierliche Horizonterweiterung gegenüber. Über das Leistungsniveau der Laienorchester gibt die Häufigkeitsanalyse des gespielten Repertoires nur insofern Auskunft, als dem Umfang der Besetzung und einem spieltechnischen Mindestlevel zunehmend weniger Grenzen gesetzt sind. Die Ausbildungssituation bezüglich der Orchesterinstrumente hat sich für Jugendliche und an der Weiterbildung interessierte Erwachsene, vornehmlich auch für Frauen, seit 1945 stetig verbessert. Besonders die Positionen der Bläser können nun den von akademischer Musiziertradition geprägten Streichergruppen gegenüber adäquat und vollständig besetzt werden. Dies schlägt sich deutlich in der Erweiterung des Repertoires durch alle Epochen für große sinfonische Besetzung und großes Bläserensemble nieder. Hier könnte jedes Orchester autark sein. Doch das Studium der Konzertprogramme, ihrer Vergleichsmomente und zitierter Pressestimmen erweckt den Eindruck, daß die Auswahl ebenso wie die Präsentation bisher unbekannter Literatur etwas zufällig erfolgt sein könnte, wodurch das Orchester in seiner Leistungsfähigkeit herausgefordert, vielleicht zuweilen auch überfordert wurde. Gegenseitige Inspiration von Orchester zu Orchester ist kaum erkennbar, eher lassen sich Reaktionen auf Verlagsneuheiten feststellen.68

68 Vgl. stellvertretend für mehrere ähnlich gelagerte Fälle: Cimarosa, Konzert für 2 Flöten G-Dur, Kap. 4.1.5
Viele nur vereinzelt aufgeführte Werke scheinen zu belegen, daß der ausdrückliche Impetus des BDLO, die mühsame Zusammenschau der Konzertprogramme an ihre Mitgliedsorchester zu vermitteln, seine Zielgruppe nicht in dem gewünschten Maße erreicht hat. Der Schlüssel zu dieser Frage scheint in dem Verhältnis der Entscheidungskompetenz des Dirigenten und seiner Orchestervertreter zu liegen. Zwischen diesen beiden Polen fallen die Entscheidungen in Repertoirefragen. Ein ›künstlerischer Beirat‹, wie ihn der BDLO durch fachkompetente Dirigenten bis 1973 anbot, existiert nicht mehr und wird nicht vernehmbar gewünscht. Und doch zeigt die Praxisanalyse, daß aufgrund der Erkenntnisse, die einzelne Orchester und ihre Leiter über unbekannte (oder in ihrer Eignung verkannte) Werke aus ihrem Arbeitsprozeß gewonnen haben (müssen), anderen Laienorchestern ein sachlich fundiertes Repertoireangebot in beträchtlichem Umfang für jedes Spielniveau unterbreitet werden könnten. Nur müßten diese Erfahrungen auch mitgeteilt, aus verschiedenen fachwissenschaftlichen Blickwinkeln beleuchtet und entsprechend aufbereitet anderen Interessenten verfügbar gemacht werden. Auf Handlungsstrategien in diesem Sinne wird in Kap. 6 eingegangen.

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