"richtiger" Zugang bestimmt werden; bei sprachlichen und musikalischen Kunstwerken noch weniger als bei der Alltagssprache. Die Vielfalt der Wege, die dadurch entsteht, daß erst der Hörer ein sprachliches oder musikalisches Ereignis als für ihn persönlich bedeutungsvoll konstituiert, findet in der Praxis allerdings häufig keine Umsetzung. Ursache dafür ist nicht nur die Kommerzialisierung musikalischer und sprachlicher Kunstwerke, die die bestehenden Freiräume drastisch einschränkt. Auch eingefahrene Bräuche der Aufführungspraxis und ihrer Kritik stehen der o.g. Ansicht individuellen Verstehens entgegen. "Die Vorstellung zu hegen, man sei als lehrender Virtuose oder als ruhmvoller Kritiker nicht Träger und Verkünder einer über einen selbst hinausweisenden Wahrheit, verlangt ganz gewiß eine persönliche Größe, deren Verbreitetheit nicht zu vermuten ist." (Stadler/Kobs/ Reuter 1993, S. 20) Ebenso steht die ästhetische Erziehung in den Schulen häufig leider immer noch unter der Leitidee, in expositorischen Lehrverfahren lediglich abfragbares Wissen vermitteln zu müssen (z.B. "Diese Komposition ist eine Fuge, weil sie diese und jene Merkmale besitzt."), wodurch sprachliche und musikalische Werke zu reinen Beispielen für begriffliche Lernziele degradiert werden und der Hörer selbst zur "Nebensache" abgestempelt wird bzw. das Gelernte nur wiederzuerkennen hat. Dies ist übrigens ein Phänomen, das auch häufig in der Gestaltung von Programmheften wiederzufinden ist; die Auflistung von Opuszahl und Entstehungsdatum machen den Hörer glauben, dies sei schon die Sache selbst. Obwohl dies hilfreiche Informationen für das Verstehen sein können, müßte hier dann aber erst die eigentliche Interpretationsleistung anschließen.
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