- 34 -Kietz, Nicola: Musikverstehen und Sprachverstehen 
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der angewandten Transformationsregeln beschreibbar. Tatsächlich hat es nicht an Versuchen gefehlt, die Ansätze der gTG auf die Musik zu übertragen. Dazu mehr in Kapitel 4.
In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, daß auch Musiktheoretiker formale Systeme zur Analyse von (tonaler) Musik vorgeschlagen haben, vornehmlich im harmonischen Bereich. Herauszuheben ist hier Heinrich Schenker, der im "Freien Satz" (1956) eine harmonische Analysemethode vorstellt, die häufig mit Chomskys Konzept verglichen wird (s. z.B. Ler-dahl/Jackendoff 1983 S. 337 Anm. 1; Sloboda 1985, Kap. 2.2). Schenker geht davon aus, daß es wichtige und weniger wichtige harmonische Ereignisse in tonalen Kompositionen (von Bach bis Brahms) gibt.
Durch wiederholte Über- und Unterordnung

Man beachte den hierarchischen Aufbau, der weiter oben schon angesprochen wurde.


könne man jede dieser Komposi-tionen auf ein einfachstes harmonisch-melodisches Skelett, den Ursatz (I-V-I plus Urlinie: 3-2-1), zurückführen. Dieser bildet den Hintergrund, der durch Verwandlungen aus dem Vordergrund, dem existenten musikalischen Text, gewonnen werden könne.
Die Nähe zu Chomskys Tiefenstruktur, Transformationsregeln und Oberflächenstruktur liegt auf der Hand, wenngleich Schenkers Orientierung nicht psychologischer Art ist wie die Chomskys. Die darüber hinaus bestehenden Unterschiede sollen und können hier nicht thematisiert werden. Mir ging es auch nur darum, zu zeigen, daß sowohl Linguistik als auch Musikwissenschaft die Möglichkeit und den Nutzen der Unterscheidung sprachlicher/musikalischer "Tiefen-" und "Oberflächenstrukturen" sowie die systematische Überführung der einen in die andere erkannt haben.

Zwei Arten musikalischer Bedeutungskonstitution habe ich bisher ausführlicher vorgestellt: expressive, tonale Gesten und Symbole und das Beziehungsgefüge der Syntax. Diesen quasi musikinternen Komponenten ist noch eine externe hinzuzufügen, die bereits in Kapitel 2.3.2.1 angeklungen ist: der historische und soziokulturelle Zusammenhang, in dem Musik erscheint und den man als musikalisch-pragmatischen Aspekt bezeichnen könnte.


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