Dieses hierarchische Modell verdeutlicht, daß der Hörer über das "Musikschema", das sein gesamtes musikalisches Wissen umfaßt, auch Zugang zu außermusikalischem Wissen hat. So könnte z.B. das "Weltwissen" ein Subschema "historisches Wissen" besitzen, welches erneut ein Subschema "musikhistorisches Wissen" beinhaltet. Die musikalischen Schemata sind selbst wiederum hierarchisch gegliedert und weisen wie diejenigen, die für das Sprachverstehen ausschlaggebend sind, Leerstellen auf, die von den musikalischen Stimuli belegt werden können. Letztere dienen dann quasi als "Fingerzeig", ob ein Schema "paßt", ob es verändert (und damit etwas Neues gelernt), oder ob ein an-deres aktiviert werden soll. Neuere Theorien gehen davon aus, daß schematische Wissenstrukturen in der neuronalen Architektur des Gehirns verschlüsselt sind, d.h. die konnektiven Muster des neuronalen Netzes ermöglichen die Codierung von Informationen, indem einige Verbindungen (z.B. durch häufige Inanspruchnahme) verstärkt, andere dagegen abgeschwächt werden (s. Bharucha 1987; Gruhn 1993b). In diesem Sinne ist Musikverstehen ein"Gefüge kognitiver Prozesse [...], in deren Verlauf eine Konzeptstruktur [...] entsteht, die eine kognitive Repräsentation kategorialer Beziehungen zwischen musikalischen Einheiten unterschiedlicher Korngröße und zeitlicher Erstreckung erzeugt, wobei möglicherweise Wissen über musikalische Formtypen, die Musikgeschichte und Kompositionstypen berücksichtigt wird und außerdem ein Erkennen musikalischer Bedeutungsaspekte stattfindet sowie Einordnungen in ästhetische Bewertungssysteme vorgenommen werden." (Stoffer 1990, S. 67) Damit kann festgehalten werden, daß Sprache und Musik nicht nur über die gleichen Wahrnehmungskanäle und hierarchisch gegliedert verarbeitet werden, sondern daß das Musik- wie das Sprachverstehen als erfahrungsgeleitetes Problemlösen angesehen werden kann, während dessen akustischer Input und gespeichertes Wissen miteinander interagieren.
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