Schließlich: Den postmodernen Menschen beeindrucken Argumente und Überzeugungen kaum. Sein Handeln richtet sich nach Stimmungen und Meinungen. Wer sind die Stimmungs- und Meinungsmacher? In der Musikszene lassen sie sich relativ gut ausmachen. Warum mischen wir uns nicht ein, wenn es um die öffentlichen und veröffentlichten Meinungen über Musik geht? Die Anwälte anspruchsvoller Musik sind entweder in der Verteidigung ihrer Position, oder sie rufen „Achtung! Klassik!“ ins Niemandsland der Fernsehzuschauer, oder sie biedern sich an, oder sie resignieren. Sie nehmen mit pessimistischer Grundstimmung an, daß die postmodernen Verhaltensweisen dem produktiven Gebrauch ihrer Musik entgegenstehen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Es liegt nicht am Lebensgefühl des heutigen Menschen, wenn er die Lebensbedeutung von Musik nicht erfaßt. Es liegt an den Musikproduzenten, die ihm Musik in ihrer Bedeutung für das Lebensgefühl heute nicht verständlich machen können, die ihm keine Wege zu einem sinnvollen Umgang mit Musik zeigen. Leben ist mehr als augenblicklicher Genuß. Auch Musik ist mehr als augenblicklicher Genuß. Sie ermöglicht Lebenssinn durch das Bei-sich-Sein, durch verweilendes Hören, durch die Erfahrung von Gelassenheit und Heiterkeit. Das gilt auch für Kinder! Es ist nicht wahr, daß Kinder nur laut sein wollen und nicht zum Hören und Verweilen fähig sind. Wer es schafft, sie aus den hektischen Zwängen ihrer Lebensumstände, die Erwachsene produzieren, zu lösen, der kann oft hören: „Können wir nicht noch einmal die Musik machen, wo es so schön still war?“

Zum Musikstudium und Musikmachen in der postmodernen Gesellschaft braucht es zweierlei. Wir müssen selbst überzeugt sein, daß Musik ein Grundwert eines humanen Lebens und einer humanen Gesellschaft ist. Und wir müssen diese Begründungen glaubwürdig durch die Art des Musizierens und durch Geduld beim Argumentieren in die öffentliche Musikkultur engagiert einbringen.