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Claudia Kayser-Kadereit



Das Repertoirestück aller Liebhaberorchester...“?–?

Zur Rezeption der Orchesterwerke Franz Schuberts durch bundesdeutsche Laienorchester


Beliebt wurde die reizende fünfte Sinfonie in B-Dur aus dem Jahre 1816. Sie ist so ungefähr das Schlichteste, technisch Anspruchsloseste, was sich denken läßt. Auf das Orchester übertragene Hausmusik! Und daher „das“ Repertoirestück aller Liebhaberorchester. Trompeten und Pauken sind ausgespart. Da gibt es nichts zu erläutern. Ein bunter Strauß frischer, schwärmerischer Melodien in zufällig sinfonischem Gewand, das ist das Ganze. Eigenartig inmitten das schroffe Menuett. Aber das Trio bringt alles mit einer hübschen Wiener Ländlerweise (über originellem Musette-Baß) wieder ins Lot. Papa Haydn half ein wenig mit. Das Finale hat’s in sich. Da muß man schon spielen können. Von Meisterhand dirigiert, zaubert es ein Lächeln in die Gesichter aller Zuhörer. Unmöglich, bei einem solchen Thema ernst zu bleiben!1

1 Hans Renner, Reclams Konzertführer. Orchestermusik, Stuttgart 9. Auflage 1974, S. 205 f.


Musikinteressierte, die sich vor dem Besuch des nächsten Abonnementkonzertes über das Programm informieren wollen, sowie Mitglieder eines Laienorchesters, die Genaueres über das gerade zu erarbeitende Werk wissen möchten, dürften wohl seit Jahrzehnten vornehmlich in dem gängigsten Handbuch für den Hausgebrauch, in Reclams Konzertführer, nachschlagen. Bis zur völligen Neubearbeitung 19982

2 Klaus Schweizer / Arnold Werner-Jensen, Reclams Konzertführer. Orchestermusik, Stuttgart 16. völlig neu bearbeitete Auflage 1998.

wurde dort Franz Schuberts 5. Sinfonie in oben zitierter Weise als „das Repertoirestück aller Liebhaberorchester“ apostrophiert. Auch in anderen Nachschlagewerken, auf LP- und CD-Covers und in vielen Konzertprogrammen,3
3 Z. B. Gerhart von Westerman, Knaurs Konzertführer, München 4. Auflage 1951, S. 159; Rudolf Kloiber, Handbuch der klassischen und romantischen Symphonie, Wiesbaden 3. Auflage 1981, S. 177; Peter Gülke, Franz Schubert und seine Zeit, Laaber 1991, S. 18; Wulf Konold (Hg.), Lexikon Orchestermusik. Klassik L–Z, Mainz 2. Auflage 1992, S. 415; Walther Dürr / Andreas Krause (Hg.): Schubert-Handbuch, Kassel usw. 1997, S. 602; Ekkehart Kroher, LP-Beiheft zu RCA SNA 25 009-R/1-5 Die Symphonien Franz Schuberts (Symphonie-Orchester Neapel, Denis Vaughan), Sp. 14.

fällt im Zusammenhang mit der 5. und 6. Sinfonie der Begriff des Liebhaber- oder Laienorchesters, da beide Werke nachweislich durch ein nicht kommerziell ausgerichtetes, sondern privat organisiertes, semiprofessionelles Ensemble uraufgeführt wurden.4
4 Brian Newbould, The Restoration of Schubert’s Symphonic Works [mit dt. u. frz. Übersetzung], CD-Beiheft zu Philips 412 176-2 Schubert. The 10 Symphonies. Fragments D. 615 & D. 708a (Academy of St. Martin-in-the-Fields, Neville Marriner), S. 9b [dt.: S. 19b].

Im Gedächtnis des heutigen, sich rasch informierenden Lesers bleibt daraufhin der Eindruck zurück, diese beiden Sinfonien seien explizit für Laienorchester geschrieben worden, somit leicht verständlich und

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