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Bernhard Müßgens


Musikalische Entwicklung von Grundschulkindern und neue Lernverfahren im Musikunterricht


Die frühe musikalische Entwicklung beginnt mit den sprachmelodischen Elementen der sogenannten Ammensprache. Die Bedeutungen der ersten melodischen und prosodischen Konturen sind inzwischen recht gut untersucht (vgl. Gembris 1998). Das Sprechen und Singen beginnt etwa um das erste Lebensjahr. Vorformen sind die Vokalisationen der ersten Lebensmonate. Die melodischen Konturen wiederholen und differenzieren sich im Verlaufe der frühen kindlichen Lernprozesse. Erwachsene greifen melodische Konturen als Äußerungen des Kindes auf, beantworten sie und prägen die früh sich ausbildenden persönlichen Ausdrucksfähigkeiten des Kindes. Die Tonabstände sind bis zum Schuleintritt und oft noch danach unbestimmt. Tonartliche Bezüge entstehen erst im Verlaufe des frühen Grundschulalters.


Kleinkinder bevorzugen abwärtsgleitende Töne. Das erste Rahmenintervall für frühe liedartige Gebilde ist die Terz. Diskrete Tonabstände innerhalb dieses Rahmenintervalls entstehen im Laufe des zweiten Lebensjahrs. Zu Beginn sind diatonische Halb- und Ganztonschritte noch zufällig. Mikrotonale Figuren werden im Laufe der ersten beiden Lebensjahre seltener. Der Eindruck eines diatonischen Systems entsteht. Zwischen dem dritten und fünften Lebensjahr verbessert sich die Fähigkeit zur Richtungsbestimmung melodischer Konturen. Kinder entscheiden nun zunehmend sicherer über die melodische Bewegungsrichtung. Einige singen bereits mit fünf Jahren Hauptrhythmen und Phrasenabschnitte einfacher Lieder. Sie verfügen aber in der Regel noch nicht über Tonabstände im Sinne diatonischer Intervalle. Erst mit etwa acht Jahren ist die Fähigkeit zum korrekten Singen von Liedern ausgebildet. Die natürliche Entwicklung des Singens endet ohne weitere musikalische Ausbildung ebenfalls etwa mit dem achten Lebensjahr. Die Singfähigkeit musikalisch ungeschulter Erwachsener unterscheidet sich oft nicht von der acht- bis zehnjähriger Kinder.


Heiner Gembris berichtet von Untersuchungen über kognitive Prozesse beim Liederwerb. An der Harvard University untersuchte Lyle Davidson 78 Kinder in ihrer natürlichen Umgebung innerhalb der Familien. Die Lieder der Kinder wurden aufgezeichnet und transkribiert, Eigenarten des kindlichen Gesangs in spezielle Symbole übertragen. So wurde festgehalten, ob es sich um diskrete


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