- 357 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
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Eva Rieger



Die schulische Vermittlung der Opern G. F. Händels


Als Georg Friedrich Händel starb, drängten sich dreitausend Menschen in die Londoner Westminster Abtei, um den Verlust eines großen Musikers zu beklagen. Neun Jahre zuvor war Johann Sebastian Bach ohne viel Aufsehen in Leipzig beerdigt worden. Während das Ansehen Händels in England stets hochgehalten wurde, vergaß man Bachs musikalisches Erbe jahrzehntelang. Später freilich drehte sich - zumindest was Händels Opernschaffen betraf - das Ganze ins Gegenteil um. Bachs Werk wurde nach der sensationellen Wiederaufführung der Matthäus-Passion 1829 durch Felix Mendelssohn triumphal gefeiert, und es folgte eine kompositorische Auseinandersetzung mit seinem Werk.


Händels englischsprachigen Oratorien hielten sich in der Gunst des Publikums, während die italienischen Opere serie als verstaubt galten und der Vergessenheit anheimfielen. Es dauerte bis 1920, als der Göttinger Kunsthistoriker Oskar Hagen mit Rodelinda eine Händel-Opernrenaissance in Deutschland einläutete. Von 1920 bis zur Gegenwart sind 88 Neueinstudierungen alleine dieser Oper im In- und Ausland erfolgt1

1 Vgl. Ulrich Etscheit, Händels Rodelinda. Libretto – Komposition – Rezeption, Kassel usw. 1998, S. 310–334.

, was als Anzeichen anhaltender Popularität zu werten ist.


Das Vorurteil, wonach Händels Opern überholt und verstaubt seien, ist teilweise auf die Kritik von Ranieri da Calzabigi und Christoph Willibald Gluck zurückzuführen, die sich gegen einen nach ihrer Auffassung altmodischen Operntypus wandten und eine neue Tonsprache forderten. Glucks Zeitgenosse Johann Georg Sulzer schrieb 1774 in seiner Allgemeine[n] Theorie der Schönen Künste:


Bei dem außerordentlichen Schauspiel, dem die Italiener den Namen Opera gegeben haben, herrscht eine so seltsame Vermischung des Großen und Kleinen, des Schönen und Abgeschmackten, daß ich verlegen bin, wie und was ich davon schreiben soll. In den besten Opern sieht und hört man Dinge, die so läppisch und so abgeschmackt sind, daß man denken sollte, sie seien nur da, um Kinder, oder einen kindisch gesinnten Pöbel in Erstaunen zu setzen; und mitten unter diesem höchst elenden, den Geschmack von allen Seiten beleidigenden Zeuge kommen Sachen vor, die tief ins Herz dringen, die das Gemüt auf eine höchst reizende Weise mit süßer Wollust, mit dem zärtlichsten Mitleiden, oder mit Furcht und Schrecken erfüllen2

2 Zit. bei Ludwig Finscher, Die Opera seria, in: Mozart-Jb. 1975, S. 21. Die Orthographie dieses Zitats wurde modernisiert.

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