Es demonstriert – denke ich – die Struktur ihrer einmaligen Persönlichkeit. In dem ausgeprägten Nebeneinander von Disziplin, Pflichtbewußtsein und Verantwortungsethik und den ganz privaten Wünschen und versteckten leidenschaftlichen Sehnsüchten siegte in Situationen der Enttäuschung und Benachteiligung die diszplinierte Zurückhaltung; trotzdem insistierte sie auch auf der Verwirklichung ihrer subjektiven Bedürfnisse, wenn sie auch nur partiell zu erfüllen waren. Darüber hinaus mischte sie sich in alle Fragen und Ereignisse der Musik­ästhetik, der Musikpädagogik und den kulturellen Neuerungen ihrer Zeit ein und meldete sich zu Wort, wenn sie sicher war, konstruktive Überlegungen einbringen zu können.

Das relativ ungebrochene Erscheinungsbild ihrer Persönlichkeit mag begründet sein in der Tatsache, daß Fanny ein bevorzugtes Leben leben durfte. Sie genoß eine für ihre Zeit excellente Ausbildung; sie hatte nie finanzielle Probleme und sie wurde – trotz der konservativen und restriktiven Vorstellungen und Maßnahmen ihrer Eltern bezüglich ihrer Frauenrolle – ebenso ungewöhnlich als Frau gefördert. Der Vater stellte z. B. die notwendigen Gelder für die Durchführung der ‚Sonntagsmusiken‘ zur Verfügung und gab ihr die Chance, wenigstens in einer Halböffentlichkeit ihre Musik hören und überprüfen zu können.

Dennoch bleibt die Frage offen, wie Fanny sich als Komponistin entwickelt hätte, hätte sie die gleiche Förderung wie ihr Bruder erfahren. Die Frage ist müßig; erstaunlich allerdings, daß sie – trotz aller Widerstände, die ihr als Frau in den Weg gelegt wurden –, eine Musik schrieb, die allen qualitativen Maßstäben standhielt und standhält, obwohl Fanny zu ihren Lebzeiten kaum ihre kompositorischen Fähigkeiten durch eine kritische Öffentlichkeit messen und beeinflussen lassen konnte.