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Freia Hoffmann
Musikerinnen um Mozart
Ein neuer Blick auf ein altes Thema

Das »alte Thema«, von dem die Rede sein wird, heißt bezeichnenderweise nicht »Musikerinnen um Mozart«, sondern »Frauen um Mozart« – präziser »Mozart und die Frauen«. Seit anderthalb Jahrhunderten, seit mit Otto Jahn die Mozart-Forschung im heutigen Sinn begann, hat kein anderer Aspekt die Mozart-Biografien so durchgehend geprägt. Für das Mozartbild, das im 19. Jahrhundert in seinen Grundzügen entworfen wurde, war es geradezu konstituierend: Mozart als der Götterliebling, der Leichtlebige, Leicht-Sinnige im positiven Verständnis, der Spielerische, dem alles zufiel, das musikalische Handwerkszeug, die kompositorischen Ideen, die unsterblichen Melodien und – eben auch die Frauen. Ein Mozart, der selbst einer Buffo-Oper entsprungen sein könnte, den wir uns ohne weiteres als Zwillingsbruder des Figaro vorstellen können, scheint uns adäquat umgeben von weiblichen Kunstfiguren, die seiner Biografie Farbe, Pikanterie und Dramatik verleihen. Wir kennen sie alle, aus den populären Lebensdarstellungen und aus Filmen: die biedere Mutter, die sorgenvoll ihre Hände um die Küchenschürze ringt, die unbedeutende Schwester, die mit leicht gebeugten Schultern brav alle aufgegebenen Noten abspielt, die Wiener und Prager Primadonnen, die mit Staunen erregenden Dekolletees und unter langen Wimpern ihr unverhülltes erotisches Interesse signalisieren, die geldgierig verzerrten Züge der Schwiegermutter, die Ehefrau mit Schmollmund und der anscheinend unbegrenzten Fähigkeit, mit vollen Händen das mühsam verdiente Geld auszugeben.

Die fundierteren Mozart-Arbeiten der letzten Jahre haben das Bild vom Götterliebling gründlich in Frage gestellt. Beispielsweise hat die Untersuchung von Kompositionsentwürfen und Skizzen durch Ulrich Konrad1

1
Ulrich Konrad, Mozarts Schaffensweise. Studien zu den Werkautographen, Skizzen und Entwürfen, Göttingen 1992.
einen Musiker sichtbar gemacht, der seine Kompositionen normalerweise keineswegs fertig im Kopf hatte, bevor sie niedergeschrieben wurden, sondern als einen, der Themen entwarf, umarbeitete, verwarf, der sich mühte, der sich mit Schaffenskrisen quälte. Eine ebenso gründliche Revision ist fällig beim Thema »Mozart und die Frauen«. Unser bisheriges Bild ist von der Biografik des 19. Jahrhunderts geprägt, als man uns daran gewöhnte, die beteiligten Personen um einen Helden herum zu gruppieren, sie in Gefolgsleute und Widersacher zu sortieren, sie so zu charakterisieren und zu stilisieren, wie es das angestrebte Bild des Meisters verlangte.
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