- 181 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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Wenn ein Musikforscher bei Mozart einen sorglosen Umgang mit Geld und Gläubigern befürchten musste, schuf er eilends mit einer verschwenderischen Ehefrau einen Sündenbock, eine Kunstfigur, die geeignet war, die Last der Verfehlung auf sich zu nehmen und den Helden neben sich umso strahlender und makelloser erscheinen zu lassen. Wenn wir – was in der heutigen Biografik selbstverständlich sein sollte – auf die traditionelle bühnenwirksame Gruppierung verzichten und den Versuch machen, die Frauen um Mozart als eigenständige Personen wahrzunehmen, zeigen sich erstaunliche Fakten, ergeben sich neue Perspektiven und Ansichten – nicht zuletzt auch von Mozart selbst.

Um den notwendigen Perspektivenwechsel zu verdeutlichen, will ich als Beispiel Magdalena Hofdemel voranstellen. Sie ist die Hauptfigur einer Skandalgeschichte, die bald nach Mozarts Tod in Wien kolportiert wurde. Magdalena Hofdemel war Schülerin Mozarts, ihr Mann, Franz Hofdemel, ist als einer von Mozarts Gläubigern in die Geschichte eingegangen. Am 6. Dezember 1791, einen Tag nach Mozarts Tod, hatte sich Franz Hofdemel mit einem Messer auf seine Frau gestürzt, ihr im Gesicht, am Hals, an der Schulter und an den Armen Schnittwunden beigebracht und sich dann selbst das Leben genommen. Magdalena, damals im fünften Monat schwanger, überlebte und brachte im Mai 1792 einen Sohn zur Welt. Nach dem Drama im Hause Hofdemel verbreitete sich in Wien das Gerücht, Magdalena Hofdemel habe ein Verhältnis mit ihrem Lehrer gehabt, Mozart sei der Vater des Kindes, und Hofdemel habe sie in einem Anfall rasender Eifersucht verstümmeln oder töten wollen. Damit nicht genug: Da die Umstände um Mozarts Tod und Begräbnis ebenfalls bald die Fantasie beflügelten, hieß es auch, Hofdemel habe Mozart vergiftet.

Die Vergiftungstheorie ist längst aus der Welt, und auch eine Liebesgeschichte zwischen Wolfgang und Magdalena gilt als eher unwahrscheinlich. Trotzdem lässt seit Hermann Abert2

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Hermann Abert, W. A. Mozart. Neubearbeitete und erweiterte Ausgabe von Otto Jahns Mozart, 2 Bde., Leipzig 7. Aufl. 1955 f., Bd. II, S. 698 f.
und bis hin zu Francis Carr3
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Francis Carr, Mozart und Constanze, aus dem Engl. von Dietrich Klose, Stuttgart 1986, S. 205–218.
kaum ein Biograf diese Schauergeschichte aus. Bisher hat sich noch kein Autor gefunden, der sich dafür interessiert hätte, wer Magdalena Hofdemel – außerhalb der Legenden um Mozart – eigentlich war.

Und dies ist die Überraschung: Magdalena Hofdemel gehört zu den wenigen Frauen, die bereits im 18. Jahrhundert eine Karriere als Instrumentalsolistinnen anstrebten. Sie wurde 1766 in Brünn geboren. Ihr Vater Gotthard Pokorny war dort Kapellmeister an der Peterskirche und bildete seine Tochter nicht nur am Klavier, sondern bemerkenswerterweise auch an der Geige aus. Beide traten zusammen in Konzerten auf, und Mozart, dem sie vorspielten, soll ihnen zu Konzertreisen geraten haben – ein finanzielles Risiko, das damals nur überdurchschnittliche Musiker eingehen konnten. »Mancherlei Umstände«, so formuliert


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