- 23 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
  Erste Seite (1) Vorherige Seite (22)Nächste Seite (24) Letzte Seite (435)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

Stock und Hut trägt auch der Schuhmacher, Sabinchen zwei schwere Wasserkübel, die sie wohl zum Haus der Dienstherrschaft tragen will. Er legt die rechte Hand aufs Herz zur Unterstreichung seiner werbenden Worte, sie richtet wohlgefällig ihre Augen auf ihn. Die nächste Szene zeigt sie in der Küche bei der Arbeit und ihn bei der Schilderung seiner Notlage – diesmal mit der linken Hand auf dem Herzen. Sabinchen hilft ihm mit ihren Ersparnissen, die er »in Schnaps und auch in Bier« verschwendet. Als sie ihm nichts mehr geben kann, drängt er sie dazu, silberne Löffel zu veruntreuen, die er beim Pfandleiher versetzt. Der Diebstahl wird rasch entdeckt, Sabinchen wird ungeachtet ihrer früheren treuen Dienste »mit Schimpf und Schande« aus dem Haus gejagt. Sie klagt dem Schuster ihre Not und macht ihm Vorwürfe. Das mag er nicht hören und ermordet sie im Jähzorn. Die Tat bleibt nicht unentdeckt und wird mit der Strafe geahndet, die schon im ersten Bild im Hintergrund zu sehen war.

Eine Melodieangabe fehlt, auf Noten ist im ganzen Bändchen verzichtet worden und so wissen wir weder, ob dieser Bericht von Sabines Beziehungsunglück von diesem Druck aus in den Volksgesang eingegangen ist, noch ob er vom Herausgeber dem Volksgesang entnommen und mit einem Titel sowie der Datierung versehen den »Musenklängen« zugefügt wurde, denn wir kennen – wie gesagt –bedauerlicherweise nicht den Verfasser.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts haben die »Musenklänge« zahlreiche, zum Teil veränderte Nachdrucke erfahren. Das Lied von Sabine und dem Schuster aus Treuenbrietzen blieb in allen Auflagen erhalten. Mit gleichem Text und neu bebildert erschien Sabines Geschichte auch als Neu-Ruppiner Bilderbogen bei Gustav Kühn etwa 1870.

Anfang des 19. Jahrhunderts wuchs die Zahl der Dienstmädchen vom Lande, die in der Großstadt in bürgerlichen Haushalten in Küche und Haus zur Hand gingen, immer stärker an. Die Industrialisierung sorgte gleichzeitig dafür, daß junge Männer aus Handwerksberufen – die möglichen Partner solcher Dienstmädchen – immer seltener in der Lage waren, sich eine solide bürgerliche Existenz zu gründen. Auf dem Lande sorgte die Sozialkontrolle im Dorf in der Regel dafür, daß ein junger Mann ein Mädchen heiratete, das eine enge Beziehung zu ihm eingegangen war. – Oder die Familie des Mädchens sorgte frühzeitig dafür, daß eine engere Beziehung unterblieb, wenn man befürchten mußte, daß der junge Mann nicht heiraten würde, weil der soziale Unterschied zwischen den beiden sehr groß war, oder wenn der junge Mann ein solcher Tunichtgut, wie der im Lied geschilderte Schuster war.


Erste Seite (1) Vorherige Seite (22)Nächste Seite (24) Letzte Seite (435)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 23 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben