- 390 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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Mechthild v. Schoenebeck
Nachdenken über Musik?!
Anmerkungen zur Lage von Musikpädagogik und Musikdidaktik

»Das Denken gehört zu den größten Vergnügungen der menschlichen Rasse.«
(B. Brecht)

Eine Situationsbeschreibung

Die folgende Situation kennt wohl jeder Kollege und jede Kollegin aus eigener Erfahrung. Man hat sich in Dienstgeschäften zum Rektorat begeben und wartet dort auf dem Flur zusammen mit einem unbekannten Kollegen darauf, hereingerufen zu werden. Man stellt sich gegenseitig vor, in der Hoffnung, die Wartezeit mit einem anregenden Gespräch füllen zu können. Der Kollege gibt sich als katholischer Theologe (wahlweise als Philosoph, Wirtschaftswissenschaftler oder Chemiker) zu erkennen, ich oute mich als Musikpädagogin. Als Reaktion des Gegenübers erfolgt unweigerlich: »Ach. Und welches Instrument spielen Sie?« – Erklärungsnotstand. Dass die Musikpädagogik eine wissenschaftliche Disziplin ist, in der historisch und systematisch über das Verhältnis von Mensch und Musik, im Kontext der Lehrerausbildung vor allem über musikalisches Lernen geforscht wird. . . – Ungläubiges Staunen des Kollegen: »Also entweder bin ich musikalisch oder nicht. Entweder gefällt mir eine Musik oder nicht. Was gibt es daran wissenschaftlich zu untersuchen und was ändert sich dadurch?« – Bevor ich zur ersten Lektion meiner Vorlesung »Einführung in die Musikpädagogik« ansetzen kann, öffnet sich die Tür des Rektor-Vorzimmers und ich darf eintreten.

Der Rektor begrüßt mich mit den Worten: »Das Konzert des Studentenorchesters (wahlweise: des Uni-Chores, der Big Band) letzte Woche war ja wieder ganz großartig. Überwältigendes Presseecho! Die Aktivitäten Ihres Instituts sind ein hervorragendes Aushängeschild unserer Universität.« – Ganz gleich, was das Rektorgespräch am Ende erbracht hat – ich verlasse die Stätte mit dem dumpfen Gefühl, im falschen Film gewesen zu sein.

Hochgelobt und missverstanden zugleich: das ewige Dilemma der Musikpädagogik an der Universität. Geschätzt wegen ihrer Außenwirkung und als Lieferantin akustischen Zierats für akademische Feiern, unbekannte Größe im Kanon der wissenschaftlichen Disziplinen. Der Status des Musikpädagogen: irgendwo


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