»Er hat geschmack, und über das die größte Compositionswissenschaft« – so hat Joseph
Haydn über Mozart als den Komponisten der sogenannten »Haydn-Quartette«
geurteilt1
Mozart, Briefe und Aufzeichnungen, Bd. 3, Kassel usw. 1963, S. 373.
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Er widerlegt damit einen Commonsense heutiger universitärer Musikwissenschaft,
derzufolge die ,Alten‘ zwar uneinholbar gut komponieren, dafür aber nicht so gescheit
analysieren konnten wie man selbst. Denn was Haydn sagt, ist bei aller Kürze eine
treffliche Analyse von Mozarts Quartetten. Diese stellen eine originelle Verbindung
galanten und gelehrten Komponierens dar. Und indem Haydn dies feststellt, gibt er nicht
nur den Fluchtpunkt vor, von dem aus sich die Partitur gut erschließt; vielmehr
deutet er zugleich an, wie diese Musik gesamtgesellschaftlich zu werten sei –
nämlich als künstlerischer Beitrag zu einer für die Zeit allgemein bedeutsamen
Frage: Wie kann die entwickelte bürgerliche Gesellschaft das Ziel erreichen, ihre
Mitglieder im Sinne einer umfassenden Bildung mit galanten und gelehrten Zügen
auszustatten?
Im Feudalismus waren das »Galante« und das »Gelehrte« vom Grundsatz her getrennte
Sphären gewesen: galant war der Fürst, gelehrt der akademisch gebildete Bürger. Im
Zeichen der Aufklärung soll idealiter das gesamte Bürgertum, auf dass ihm die
Verantwortung für den gesellschaftlichen Prozess übergeben werden kann, mit
beidem ausgestattet werden: dem Galanten und dem Gelehrten. Dafür bedarf es
der Sinnbilder und Beispiele in allen Bereichen des Lebens und der Kunst.
Mozart liefert sie mit seinen Quartetten für die Musik, und Haydn bemerkt es
alsbald2
Schon Johann Mattheson möchte »galant« und »gelehrt« in der Musik zusammenführen, weiß
jedoch nicht recht, wie dies zu geschehen hätte. Bach und Händel machen es gelegentlich vor;
jedoch erst Haydn und Mozart vermögen ein ungeschriebenes Programm daraus zu machen.
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Dass ich mein Thema mit einem konkreten Beispiel begonnen habe, hat seinen Grund:
Ich veranstalte derzeit an meiner lehrerausbildenden Universität ein Seminar über
Mozarts Streichquartette; und in diesem Seminar soll analysiert werden, jedoch
unter der Voraussetzung, »daß wir uns in der Kunst über uns und unsere Welt
verständigen«3
Gustav Falke, Bild und Ausdruck. Wie und wozu kann man Musik und Malerei vergleichen?,
in: Musik & Ästhetik, 5. Jg. (2001), H. 20, S. 13.
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