Ich kann den Studierenden nicht hinter die Stirn schauen. Doch ich habe den Eindruck,
dass ihnen dieser Ansatz zwar einerseits gefällt, dass sie andererseits aber ein wenig
irritiert sind, wenn ich ihn unter schulpraktischen Aspekten wörtlich nehme – so etwa,
wenn ich vorschlage, das galant-gelehrte Finale des Streichquartetts KV 387 nicht nur zu
analysieren, sondern im Sinne der »szenischen Interpretation« zu ,dramatisieren‘: Da
kann man dann vier über den Partituren ergraute Quartettspieler sehen, die mit der
Fugenexposition des Satzes beginnen, um erleben zu müssen, dass sie von einer
vierköpfigen Musikantentruppe beiseite gedrängt werden, die mit einer frechen
Tanzweise Paroli bietet. Und es bedarf weiterer Überlegung, wie denn diese beiden
Gruppen in Durchführung und Reprise agieren sollen, wo sie sich ja auf ein
gemeinsames Konzept einigen müssen, wenn die Verbindung galant-gelehrt zu
einem eindrucksvollen Ende geführt und damit sinnbildlich ein Moment von
Weltverständigung vorstellen soll, wie es Goethe vorschwebte, wenn ihm ein
Quartettvortrag erschien, als ob »vier vernünftige Leute sich untereinander
unterhalten«4
Warum werden solche Sichtweisen, wenn sie nicht gerade von Goethe stammen, seitens der universitären Musikwissenschaft als vorwissenschaftlich tendenziell belächelt? Woher kommt die Irritation der Zunft, wenn jemand anthropologisch gefärbte Bilder in den musikalischen Diskurs einführt? Schließlich gibt es da eine moderne Tradition, die von Schumann und Wagner über Nietzsche bis zu Adorno und Bloch führt! Der Antworten sind viele, doch ich möchte hier nur eine nennen: Vielen Vertretern der universitären Disziplin, die sich »Musikwissenschaft« nennt, erschien und erscheint es notwendig, sich von den traditionellen Diskursen »Philosophie« und »Anthropologie« abzukoppeln, um einen Spezialdiskurs etablieren zu können, als dessen Königsweg die kompetente Analyse der musikalischen Struktur gilt. Da eine solche Sichtweise inzwischen in den Schulen und in der Lehrerbildung angekommen ist, erscheinen grundsätzliche Überlegungen sinnvoll. Und damit bin ich bei meinem Thema. In seinem opus magnum »Grammars of Creation«, das kürzlich in deutscher Sprache herauskam5
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