Versuchspersonen Bildergeschichten zum Ordnen vor, zeigte ihnen Figuren, die
gleichzeitig in Bewegung waren, dabei aber Strecke, Tempo oder Richtung variierten; er
versuchte, Kinder Beziehungen zwischen verschieden hoch gefüllten Gefäßen und
zeitlichen Markierungen herstellen zu lassen oder ließ Striche in verschiedener
Geschwindigkeit zeichnen. Dabei beließen er und seine Mitarbeitenden es nicht dabei,
den Umgang der kleinen Versuchspersonen mit den Problemstellungen der Experimente
zu protokollieren. Zusätzlich trat Piaget mit den Kindern in einen Dialog, um deren
Handlungen oder verbalisierte Gedankengänge behutsam zu hinterfragen. Ziel der
Untersuchungen war es, die kindlichen Denkprozesse zu analysieren und zu
kategorisieren. Nicht nur in Bezug auf die Zeit entwickelte Piaget ein Modell
grundsätzlicher Stadien, die Kinder im Laufe ihrer Entwicklung durchlaufen. So
orientiert sich das Denken von Kindern im
Vorschulalter an konkreten, überschaubaren
Sachverhalten. Denkprozesse werden durch Handlungen ausgelöst bzw. unterstützt.
Gedankliche Vorgänge, die losgelöst von wirklichem Geschehen nach innen verlagert
ablaufen, bahnen sich erst an. Piaget spricht von präoperationalem bzw. anschaulichem
Denken. Um die Einschulung herum entwickelt sich allmählich eine gewisse
Abstraktionsfähigkeit, die Phase des konkret-operationalen Denkens beginnt. Erst mit
ungefähr zwölf bis vierzehn Jahren wird die Stufe des formal-operationalen, logischen
Denkens erreicht.
Anschaulichkeit
Ein Beispiel zum Thema ›Lebensalter in Zusammenhang mit dem Zeitpunkt der
Geburt‹ ist folgende Szene: ein Junge im Alter von vier Jahren und neun Monaten, der
auf die Frage, ob sein Bruder oder er selbst älter sei, antwortet: »Mein Bruder,
weil er größer geboren wurde.« und auf die Frage, ob dieser Unterschied sich
ändern könne: »Nein […] Doch, wenn ich viel Suppe esse, überhole ich ihn.«
(vgl. Piaget 1955, S. 284). Alter wird hier noch mit dem hervorstechenden Merkmal
von Größe gleichgesetzt. Ältere Kinder dagegen wissen schon, ob sie jünger
oder älter als eine andere Person sind. Gleichzeitig können sie aber aus dieser
Tatsache nicht unbedingt die Reihenfolge der Geburten ableiten: Ein Kind mit
Namen Dour kann mit siebeneinhalb Jahren angeben, dass sein Freund Gerald
fünf Jahre älter ist als er selber. Auf die Frage, ob dieser vor oder nach ihm
geboren sei, weiß er aber nicht zu antworten. »Überleg einmal, du hast mir
doch schon gesagt, wie alt er ist. Ist er vor dir oder nach dir geboren?« »Ich
könnte ihn ja fragen gehen.« (ebd., S. 291). Hier wird die Größe einer Person
oder eines Gegenstandes von Kindern als wesentliches – und ausschließlich
bestimmendes – Merkmal von Alter beachtet. Piaget spricht von anschaulicher
Zentrierung.
Genau wie die Größe findet auch das Tempo einer Aktivität besondere Beachtung.
Eines der Kinder (6 Jahre und 4 Monate alt) wurde befragt: »Wie lange brauchst du von
der Schule nach Hause?« – »Zehn Minuten.« – »Und wenn du läufst, geht das schneller
oder langsamer?« – »Schneller.« – »Also brauchst du dann mehr Zeit oder weniger
Zeit?« – »Mehr Zeit.« – »Wie viel?« – »Mehr als zehn Minuten.« (ebd., S. 62). Hier wird
›viel‹ Tempo gleichgesetzt mit viel Zeit.
Im gerade zitierten Beispiel wird deutlich, dass Kinder je jünger sie sind, umso weniger
in der Lage sind, Zusammenhänge herzustellen oder Schlüsse zu ziehen. Augenfälliges
Merkmal ist die Geschwindigkeit: ist diese hoch wird daraus im