- 12 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (11)Nächste Seite (13) Letzte Seite (264)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

Einblick

Wie dargestellt wurde, wird Zeit in naturnahen Gesellschaften eher ungefähr und großräumig gedacht. Dies gilt auch für die Ursprünge der überlieferten Musik: im gregorianischen Choral ist die Zeitgestaltung bis auf die Orientierung am Text kaum reglementiert. Parallel zur technischen Entwicklung der Räderuhr im 14. Jahrhundert entwirft die Mensuralmusik dagegen ein verbindliches System festgelegter Notenwerte. Gleichzeitig mit der immer feineren Unterteilung der Zifferblätter entstehen immer kleinere Notenwerte (vgl. Abschnitt 3.2.2). Auch für den Einfluss des ideellen Denkens auf die Gestaltung von Zeit und Rhythmus in der Musik gibt es Belege: die Trinität des christlichen Weltbildes findet ihre Entsprechung darin, dass dreizeitige Rhythmen bevorzugt und höher bewertet werden als zweizeitige (vgl. ebd.).

Auch die Entwicklung des Metronoms (vgl. Abschnitt 8.2.4) zeigt Parallelen von allgemeiner und musikalischer Zeitmessung auf und ist gleichzeitig ideell motiviert. Denn einerseits ermöglichten technische Errungenschaften das Erfinden von Apparaturen, die musikalische Tempi objektivieren konnten, auf der anderen Seite verursachte erst der Stilwandel hin zur Barockzeit die Notwendigkeit, unterschiedliche Gemütsbewegungen auch mit differenzierten Tempi zu charakterisieren. Im Mittelpunkt des musikalischen Denkens der Epoche stand die möglichst adäquate Umsetzung der so genannten Affekte; Tempobezeichnungen wie Adagio, Allegro oder Presto, aber auch die Vielfalt der barocken Taktarten, müssen in Zusammenhang mit dieser Absicht gesehen werden.

Ausblick

Die beiden obigen Beispiele zeigen, wie sehr die Wahrnehmung von Zeit und Rhythmus mit den jeweiligen Umständen verwoben ist. Auch die Gestaltung von Zeit in der Musik unterliegt vielfältigen Einflüssen und Wandlungen. Diesen nachzuspüren soll Aufgabe des dritten Kapitels sein. Auch wenn die dortigen Ausführungen schnell deutlich machen werden, dass das Thema Rhythmus im Umfeld von Musikwissenschaft und Musikgeschichte intensiv erforscht und aufgearbeitet wurde, darf über der Darstellung verschiedenster Aspekte und Sichtweisen allerdings eines nicht vergessen werden:

Rhythmus ist ein zutiefst menschliches Lebensprinzip. Der musikalische Rhythmus kann nicht losgelöst von dieser Erkenntnis betrachtet werden.


Erste Seite (i) Vorherige Seite (11)Nächste Seite (13) Letzte Seite (264)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 12 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus