- 11 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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Wiederholung und wird auf maschinelle, technische Vorgänge bezogen. Alle Autorinnen und Autoren sind sich einig, dass unsere moderne Gesellschaft mehr durch den Takt gekennzeichnet ist und stellen dar, zu welchen Beeinträchtigungen physischer, psychischer oder ökologischer Art der Mangel an Rhythmus, an Flexibilität, führen kann. Karheinz A. Geißler formuliert eindringlich: »Für die Zeitlogik der hochtourigen Moderne gehören die Rhythmen zu den Schattenseiten, die, wie der Kampf gegen die Nacht und den Tod es ja allerorten zeigen, der zu überwindenden Vormoderne zugerechnet werden.« (Held/Geißler 1995., S. 10f.).

Die Situation des 21. Jahrhunderts ist also gekennzeichnet durch hoch technisierte Möglichkeiten sowohl Zeit zu messen, den Zeitbedarf von Handlungen zu minimalisieren als auch Vorgänge an verbindliche Zeitvorgaben zu koppeln: Früher wurden Arbeitsprozesse in Abstimmung mit den Jahreszeiten und der aktuellen Wetterlage ausgeführt, das Hereinbrechen der Dunkelheit beendete beispielsweise das Schaffen. Heute ermöglichen technische Errungenschaften eine Abkopplung von äußeren Bedingungen: elektrisches Licht ermöglicht Nachtarbeit, die Orientierung an der Uhr ersetzt die Abstimmung mit dem Sonnenstand. Während in Zeiten vor der Ausbreitung von Eisenbahnen und Autos ein Brief mit der Postkutsche reisen musste, kann heutzutage ein Fax oder eine E-Mail in Sekundenschnelle die Gegenseite erreichen. Gleichzeitig mit den veränderten Möglichkeiten der Außenwelt sind die psychischen und physiologischen Bedingungen des Menschen aber vergleichsweise stabil geblieben. Auch wenn im Hochleistungssport kontinuierlich daran gearbeitet wird, neue Geschwindigkeitsrekorde aufzustellen, bewegen sich gemessene Temposteigerungen häufig im Bereich von Millisekunden – einer Größenordnung, die ohne die modernen Möglichkeiten der Zeitmessung gar nicht zu realisieren wäre. Das schon erwähnte Fachgebiet der Chronowissenschaft wiederum thematisiert die Gefahren, die eine von den natürlichen Gegebenheiten entkoppelte Zeitgestaltung des Lebens mit sich bringt. Der Mensch ist zwar durch und durch rhythmisch organisiert, gleichzeitig sind diese Rhythmen aber nicht starr fixiert sondern außerordentlich elastisch.

Zeit und Rhythmus des Menschen im 21.Jahrhundert bewegen sich im Spannungsfeld zwischen technischer Objektivierbarkeit und persönlicher Empfindung.

2.4.  Zeiterfahrung und musikalischer Rhythmus

Der historische Abriss zur Geschichte der Zeitwahrnehmung macht deutlich, dass das Verhältnis des Menschen zum Phänomen Zeit einerseits vom technischen Entwicklungsstand und andererseits von der ideellen Prägung des Umfeldes abhängt. Zeit ist eine intern konstruierte Realität, die in Abstimmung mit äußerlichen Gegebenheiten entworfen wird, Zeit kann nicht losgelöst vom jeweiligen Kontext erfasst werden. Dies gilt so auch für den Rhythmus, denn Rhythmus ist ein Phänomen, das sich in der Zeit abspielt.


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