- 134 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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mit Frequenzen von 0,5–3 Hz. In den Traumphasen des Schlafes, in denen durchaus zeitliche Empfindungen stattfinden, kommt es wiederum zu einer Frequenzzunahme. Ein weiteres gewichtiges Argument betrifft die Entwicklung von Kindern: das EEG im Säuglings- und Kleinkindalter ist gekennzeichnet durch langsamere und häufig auch aperiodische Abläufe.

Ein dem Erwachsenen relativ ähnliches Elektroencephalogramm mit periodischen Abläufen im Frequenzbereich zwischen 8 und 9 Hz tritt dagegen beim älteren Kind (8–10 Jahre) auf, also zu einer Entwicklungszeit, während der der Mensch beginnt, bewußt Zeit und zeitliche Strukturierung der Wahrnehmung zu erleben (ebd., S. 124).

Besonders Kapitel 4 war schon darauf eingegangen, dass der circadiane Rhythmus noch nicht zu Lebensbeginn etabliert ist, dass Säuglinge den Schlaf-Wach-Rhythmus erst allmählich entwickeln (vgl. Abschnitt 4.1.1). Denkbar ist es, dass der Ablauf von großräumigen Zeiteinheiten – wie es der Tagesrhythmus ist – aus der Summe der vergleichsweise kleinräumigen EEG-Schwingungen gebildet wird. Wenn dies so ist, erscheint plausibel, dass der unregelmäßige kindliche Taktgeber (die EEG-Frequenzen) auch ein unregelmäßigeres zeitliches Verhalten bedingt. Hier muss einmal mehr der Aspekt von Reifung betont werden: erst mit 8–10 Jahren gleichen die inneren Voraussetzungen von Kindern denen Erwachsener. Einerseits ist im pädagogischen Umfeld auf diese Tatsache Rücksicht zu nehmen, andererseits erwächst daraus die begründete Hoffnung, dass Lernprozesse von Kindern durch zunehmendes Alter begünstigt werden.

EEG-Rhythmen könnten die neurophysiologische Grundlage der psychischen Zeitverarbeitung darstellen.
EEG-Rhythmen unterliegen im Kindesalter Reifungseinflüssen.

Zur Lokalisation der ›Inneren Uhr‹

Wenn es im Gehirn Schwingungsgeber gibt, muss es auch entsprechende ›Zähler‹ geben, die deren Schwingungen registrieren. Grüsser vermutet, dass verschiedene Hirnregionen daran beteiligt sind, die ausgesandten Impulse des angenommenen Zeitgebers (EEG-Rhythmus) zu vermerken. Für die vegetativen, also unbewusst ablaufenden Körperfunktionen geht er von Neuronennetzen im Zwischenhirn, genauer gesagt im Hypothalamus aus (ebd.). Der Hypothalamus ist eine zentralnervöse Region, die so lebenswichtige Funktionen wie den Wärmehaushalt, den Blutdruck oder die Nahrungsaufnahme regelt. Hier findet auch die Synchronisation der langsamen, den circadianen Verlauf betreffenden Rhythmen statt, hier wird der Wach- und Schlafrhythmus gesteuert. Es sei an die Experimente mit einem umschriebenen Bereich des Hypothalamus erinnert, dem so genannten Suprachiasmatischen Nucleus (SCN): Manipulation an diesem Kern des Zwischenhirns führt zu Veränderungen des zeitlichen Verhaltens eines Tieres. So ist es möglich, durch Entfernen des so genannten SCN den Tagesrhythmus eines Versuchstieres zu zerstören oder durch Verpflanzung an einen Artgenossen, diesem das Zeitverhalten des ersten Tieres zu implantieren (vgl. Abschnitt 4.1.1).


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