- 141 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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In Untersuchungen zum dichotischen Hören (ausführlicher zum dichotischen Hören vgl. Abschnitt 7.3.2) konnte Müller (1998) nachweisen, dass musikalisch geübte Personen in der Verarbeitung sprachlicher als auch nicht-sprachlicher Rhythmen gegenüber musikalisch Ungeübten deutlich im Vorteil sind. Dies erklärt sie damit, dass Musikerinnen und Musiker in der Lage sind, analytische und ganzheitliche Strategien – also Aktivitäten der rechten und linken Hemisphäre – miteinander zu verbinden. Aus Müllers Sicht weisen die Untersuchungsergebnisse nicht nur eine korrelative Verknüpfung nach, sondern deuten auf »interaktive Zusammenhänge zwischen Rhythmus und Sprache hin.« (ebd., S. 169).
Sprache, Musik und deren verbindendes Element Rhythmus werden sowohl in der linken als auch in der rechten Hemisphäre verarbeitet.

Exkurs: Sprache in der Musikpädagogik

Es bleibt festzuhalten, dass Musik und Sprache auch in ihrer neurologischen Verarbeitung Gemeinsamkeiten aufweisen. Aus der Arbeit mit Schlaganfall-Patienten ist bekannt, dass Menschen, die ihre Sprache verloren haben, durchaus noch in der Lage sein können zu singen. Der therapeutische Ansatz zielt dann darauf, über das Singen die Sprache zurück zu gewinnen. Der Hinweis darauf, dass musikalische Fertigkeiten zu einer verbesserten Sprachverarbeitung führen, sollte – bei aller Vorsicht vor einer Überbewertung – für den Musikunterricht im Auge behalten werden, denn Sprache ist Bestandteil jeder Unterrichtssituation. Dabei sind Form und Funktion äußerst variabel:

Ein wichtiges Funktionsfeld im Musikunterricht ist Sprache als Kommunikation. Wenn – wie oben dargestellt – der Ursprung von Musik tatsächlich in der Kommunikation liegt, könnte letztlich jede noch so kleine Handlungsaufforderung, jeder Kommentar als Musik aufgefasst werden. Wenn man bedenkt, wie viel die Unterrichtenden im Lehr-Lern-Prozess sprechen, ist es eine Überlegung wert, diese sprachlichen Anteile hinsichtlich ihrer musikalischen Gestaltung zu reflektieren. Eine farbenreich und variabel eingesetzte Sprechstimme wird das Unterrichtsgeschehen sicher bereichern, Kontaktaufnahme und Vermittlung von Sachinhalten und emotionalen Botschaften eher erleichtern als ein monotoner Stimmeinsatz.

Der Ursprung von Musik hat seine Wurzeln in der Kommunikation.

Speziell für den rhythmischen Bereich ist es üblich, Sprache zur Unterstützung von Rhythmen einzusetzen. Dabei finden Wörter und Verse Verwendung, aber auch ganze Systeme so genannter Rhythmussprachen (vgl. zu diesem Thema die Abschnitte 8.5.1 und 9.2). Diese Rhythmussprachen beinhalten eine feste Benennung von Notenwerten, die gleichzeitig ihre Zeitgestalt wiedergibt: im System von Zoltán Kodály (vgl. Szönyi 1973, S. 23f.) heißt beispielsweise die Viertelnote ›ta‹ und das Achtelpaar ›titi‹. Sprache verläuft rhythmisch und zeigt sogar eine Tendenz zur Gestaltung von gleichabständigen Betonungssetzungen (vgl. Abschnitt 5.3). Sprache bewusst zu rhythmisieren ist somit eine geschickte musikpädagogische Vorgehensweise.

In rhythmisierter Sprache werden unterschwellig vorhandene zeitliche Ordnungsmuster zu prägnanten, gestalthaften Merkmalen.


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