- 179 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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Aspekt auch für Ältere nicht aus den Augen verloren werden. Häufig geschieht im Falle von hohen gestellten Anforderungen ein ›Rückfall‹ in alte, eigentlich schon überwundene Strukturen. Um eine adäquate, sinngebende Betonungssetzung in musikalischen Abläufen zu begünstigen sollte der Schwierigkeitsgrad des Auszuführenden angemessen gestaltet – und im Problemfall reduziert – werden. Eine andere Möglichkeit der Anknüpfung besteht in der Wahl einer von sich aus kleinräumigen Akzentsetzung. Wie sich in der musikpädagogischen Praxis immer wieder zeigt, ist der 4 2-Takt leichter zu realisieren als großräumigere Akzentstrukturen (was nicht bedeuten soll, dass sich das Musizieren auf diese Taktart beschränken soll. Wichtig ist, auch andere Betonungsmuster erfahrbar zu machen). In der Praxis zeigt sich häufig, dass Dreiertakte schwerer zu realisieren sind als gerade Takte. Es kann vermutet werden, dass dies auf die ›großräumigere‹ Betonungssetzung zurückzuführen ist. Im Vierertakt sind die Hauptakzente zwar noch weiter von einander entfernt, durch Zwischenbetonung der dritten Zählzeit rückt der gerade Takt dennoch wieder mehr in die Nähe zweizeitiger Betonungssetzung.
Eine frühe Entwicklungsstufe im Spracherwerbsprozess besteht im Setzen von engen Betonungsmustern. Für den Beginn der musikalisch-rhythmischen Entwicklung bietet sich daher besonders der 4 2-Takt an.
Die Ausführung von weiträumigeren Betonungsmustern gelingt umso eher, als der motorische Schwierigkeitsgrad angemessen gewählt ist.

Über die Funktion als musikalische Gestaltungselemente hinaus haben Betonungsstrukturen noch eine weitere wichtige Bedeutung: Akzente stellen im Sprechfluss unverzichtbare Markierungs- und Orientierungspunkte dar (vgl. die Abschnitte 5.3 und 5.4.1). Äußerungen werden nicht Stück für Stück sequenziert, sondern antizipierend auf ein Ziel (eben eine Betonung) hin entworfen und ausgeführt. Diese Ziele sind auch in der Musikausübung ausgesprochen bedeutsam: eine stimmige Betonungsstruktur hilft zunächst bei der Erfassung einer Zeitgestalt, eines Rhythmusmusters. Darüber hinaus sind die Betonungen als Orientierungsmarken auch im motorischen Ablauf der Ausführung entscheidend für das Gelingen in der Musikausübung. Letztlich berührt die Akzentgestaltung auch die Ebene der Interpretation: werden beispielsweise mehrere identische Töne nur aneinander gereiht oder spannungsvoll miteinander in Beziehung gesetzt? Aus diesem Blickwinkel wird die Qualität einer musikalischen Darbietung schnell bestimmbar.

Die Erarbeitung einer stimmigen Betonungsstruktur verbindet pädagogische und künstlerische Gesichtspunkte.

Der Grundschlag in Sprache und Musik

Ein großer Teil von Musik ist an einen regelmäßigen Grundschlag gebunden. Auf der Sprachebene macht sich dieser besonders dann bemerkbar, wenn Reime gesprochen oder Gedichte rezitiert werden. In der Alltagssprache ist ein Grundschlag nicht ohne weiteres zu bemerken. Dennoch belegen Forschungsergebnisse, dass auch im ›normalen‹ Sprechfluss die Tendenz besteht, den Abstand zwischen betonten Silben annähernd identisch zu gestalten (vgl. Abschnitt 5.3).

Eine weitere Parallele zwischen Sprache und Musik besteht darin, dass für beide Bereiche eine virtuose, teilweise automatisierte Steuerungsleistung erforderlich ist,


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