- 21 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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Der Begriff der Bewegung, auf dem der antike und der moderne Rhythmus beruhen, ist im Mittelalter, wenn nicht unbekannt, so doch peripher. […] Die temporale Verfassung der mittelalterlichen Musik ist nicht dynamisch, sondern statisch. Sie beruht auf der Division eines vorgedachten temporalen Zeitraums: der Perfektion. Sie ist damit sinnfälliges Analogon der Zeit überhaupt. Die Zeit ist nach Anschauung des Mittelalters begrenzt, von der Schöpfung und dem Gericht. Sie wird geteilt durch die natürlichen Bewegungen der Gestirne, der Generationen, der Weltalter. (Seidel 1976, S. 48, vgl. wiederum Abschnitt 2.2).

Der Entwicklungsverlauf im Mittelalter ist gekennzeichnet durch eine deutliche Tendenz von der Freiheit zur Bindung. Was zunächst durch Annäherung an Sprache gekennzeichnet ist, wird nach und nach zur hochkomplizierten, bis ins Detail geregelten Systematik. Die Errungenschaften der Epoche – Fortschritte in den Möglichkeiten von Schrift und Druck oder auch im Instrumentenbau und Instrumentalspiel – fließen in den Verlauf ein, prägend ist vor allem auch christlich bzw. kirchlich beeinflusstes Gedankengut.

3.2.3.  Das 15. und 16. Jahrhundert

Ähnlich wie im Mittelalter muss für die darauf folgenden Jahrhunderte zwischen theoretischen Ausführungen der Gelehrten und den Gegebenheiten in Kompositionen unterschieden werden.

Die Aussagen der Theoretiker

Die Musiktheoretiker des 16. Jahrhunderts entdecken die antike Rhythmuslehre wieder. »Man erinnert sich des antiken, meist Platon oder Aristoteles zugeschriebenen Gedankens, daß Musik drei Faktoren vereine, Harmonie, Sprache und Rhythmus.« (Seidel 1993, S. 18). Theoretiker wie Zarlino und Sadoleto äußern sich 1558 bzw. 1533 entsprechend, letzterer mit der Forderung, Harmonie und Rhythmus seien (entgegen der zur betreffenden Zeit vorherrschenden polyfonen Praxis) auf den Wortverstand auszurichten. Festzuhalten ist, dass die Auseinandersetzung mit den antiken Termini Rhythmus/Metrum von den Theoretikern geführt wird, nicht von den Praktikern. Salinas verbindet in seinem Werk »De Musica«, Salamanca 1577, die Aussage Platons vom Rhythmus als Ordnung der Bewegung und die des Aristoxenos vom Rhythmus als Ordnung der Zeiten zu einer »Definition des Rhythmus, die die Kategorien der Bewegung, das Langsame und Schnelle, zu denen der Zeit, zum Langen und Kurzen, ins Verhältnis setzt.« (ebd., S. 19).

Zeitliche Gestaltung in der Musizierpraxis der beginnenden Renaissance

Neben den Definitionen der Theoretiker geben uns die Kompositionen selber Informationen über die temporale Gestaltung der Musik der Neuzeit. Seidel (1976, S. 53f.) vergleicht Ausschnitte aus Motetten von Josquin (1450–1521) und Machaut (~1300–1377), während Machaut noch achtlos am Textinhalt vorübergeht, gestaltet


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