- 227 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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Mund oder auch das Spüren von Enge und Druck hinterlassen einprägsame Erinnerungen. Auf den Arm genommen, gewiegt und gestreichelt zu werden, Dinge anzufassen oder in den Mund zu stecken oder in eine Klangkulisse einzutauchen vermittelt das vorgeburtliche Gefühl der Geborgenheit. Gleichzeitig sind diese Erfahrungen Brücken zum früh angelegten ›Wissens‹-Schatz: intellektuelle Entwicklung geschieht auf der Grundlage sensorischer Differenzierung. Für Säuglinge so selbstverständliche Leistungen wie die Identifizierung vertrauter Reize oder die Unterscheidung von Eindrücken kann als kognitive Fertigkeiten gewertet werden – auf einem altersspezifischen Niveau.

Sicher ließe sich auch umgekehrt argumentieren, dass die erste Lebenszeit durch einen Mangel an selbstbestimmter Steuerungsmöglichkeit bezüglich Sprache und Bewegung charakterisiert sei. Auf Grundlage des Wissens um die biologisch angelegten Strukturen, die den Umgang mit differenzierten Mustern bezogen sowohl auf Sprache als auch auf Bewegung von Lebensbeginn an vorsehen, kann jedoch keineswegs von Unvermögen gesprochen werden. Rhythmen verschiedenster Art sind von Lebensbeginn an fest im kleinen Menschen verankert. Auch wenn beachtliche Anteile der Fähigkeit mit Rhythmus und Metrum umzugehen erst allmählich heranreifen, stehen andere Bestandteile zur frühestmöglichen Nutzung bereit.

➢  Festzuhalten sind für die Fähigkeiten im Umgang mit Rhythmus in den ersten Lebensjahren

—  ein äußerst differenziertes, offenes Wahrnehmungssystem,

—  hohe Kommunikationsbereitschaft,

—  große Bedeutung körpernaher Reize.

Die Erwachsenen

Das Angebot an eine Eltern-Kind-Gruppe kann nicht ausschließlich auf die Säuglinge bzw. Kleinkinder ausgerichtet sein. Die Erwachsenen sind mindestens genau so beteiligt wie die Kleinen, je jünger die Kinder sind, umso mehr sind die ›Großen‹ diejenigen, die durch ihr aktives Zutun die Stunden gestalten und prägen. Auch für die Erwachsenen gilt die biologische Verankerung von Rhythmen in der Existenz, auch sie haben einmal Sprache erworben und sind dabei differenziert mit zeitlichen Informationen umgegangen, auch in ihrem Dasein gibt es rhythmische Bewegung.

Während für Kinder gilt, dass eine Vielzahl von Funktionen noch heranreift, ist für Erwachsene nicht davon auszugehen, dass Veränderungen im Laufe der Zeit von ganz allein stattfinden. Tatsächlich stehen Motorik, Sensorik oder auch Kognition zwar ausgereift zur Verfügung, gleichzeitig setzen Erwachsene ihre Fertigkeiten häufig nur eingeschränkt dort ein, wo zielgerichtet Aufgaben der entsprechenden Lebenswirklichkeit erledigt werden. Kommunikation findet beispielsweise eher auf einer sachlichen Ebene statt, auf der die Mitteilung von Emotionen in den Hintergrund verbannt ist. Erwachsene haben gelernt, ihre Gefühle zu kontrollieren oder gegebenenfalls zu verbergen.

Der Alltag vieler Erwachsener ist geprägt durch einen eher passiven Umgang mit musikalisch-rhythmischen Inhalten, Musikhören ist meist fester Bestandteil des Tagesablaufes, aktives Singen oder Musizieren dagegen nicht. Sprache oder Bewegung sind im Leben von Erwachsenen allein Mittel zum Zweck und weit entfernt


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