- 233 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (232)Nächste Seite (234) Letzte Seite (264)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

Sprechen geht bei Vorschulkindern noch mit einem verstärkten Körpereinsatz einher: die Hände gestikulieren in vielfältiger Form – und vor allem an vielfältigen Orten, wie beispielsweise im eigenen Gesicht – und stützen kognitive und emotionale Prozesse. Die Aktivitäten mit dem ganzen Körper sichern das Empfinden für das Selbst genauso ab wie das Verständnis von Sachinhalten. Aus diesem Grunde leistet die verwobene Tätigkeit von Sprechen und Bewegen einen fundamentalen Beitrag auch zu einer Entwicklung des Gedächtnisses. Aktivitäten des Körpers sind notwendige Voraussetzung für die Entwicklung interner Repräsentationen. Gleichzeitig helfen gleichmäßig wiederholte Bewegungen, differenziertere motorische Aktionen vorzubereiten. Rhythmische Aktivität über Sprache und Bewegung ist in einer Entwicklungsphase, in der sich viele Funktionen noch entfalten, eine außerordentlich wichtige Schnittstelle zwischen biologischer Anlage und musikalischen Erfordernissen.

Auch wenn sich die kognitiven Möglichkeiten der Kinder unaufhaltsam vermehren, ist dennoch davon auszugehen, dass die intuitive, ganzheitliche Wahrnehmung noch wesentlich ausgeprägter ist als der analytische Blick auf Details. Aus dem Wissen um die Verläufe im Spracherwerbsprozess ist gesichert, dass die kindliche Aufmerksamkeit zunächst mehr der klanglichen Hülle, dem Gesamteindruck gilt und erst später kleineren Einheiten wie Wörtern, Sätzen oder Phonemen. Musikpädagogisch sinnvolles Handeln muss auf diese Tatsache mit dem Angebot von Strukturen reagieren, die geschlossene Einheiten darstellen. Diese Einheiten müssen überschaubar, gut gegliedert sowie sinnvoll akzentuiert sein. Gesprochene oder gesungene Rhythmen beinhalten ein simultanes Erscheinen von Akzentuierungen (und dadurch auch ein Metrum im Sinne einer Betonungsstruktur) und kommen diesem Bedürfnis nach gegliederten Formen entgegen.

Auf der emotionalen Ebene ist zu vermerken, dass das Vorschulalter von einer immensen Fähigkeit zur Fantasie geprägt ist. Auch wenn sich ein rationales Denken mehr und mehr Bahn bricht, lieben Kinder es, in verschiedene Rollen zu schlüpfen, in fantastische Welten einzutauchen und so zu tun ›als ob‹. Musikalische Inhalte werden in der Elementaren Musikpädagogik mit Vorschulkindern deshalb gern mit Themen und Vorstellungsbildern verbunden (dies gilt letztlich für andere Altersgruppen auch, vgl. die Stundenmodell für die Eltern-Kind-Gruppen oder die Erwachsenen). Reisen in fremde Länder, Besuche im Weltall, Abenteuer am Meeresgrund, der Ausflug auf die Frühlingswiese und vieles mehr sind Möglichkeiten, die Dramaturgie der Unterrichtsstunden rhythmisch (im Sinne von Spannung und Lösung) zu gestalten und eine emotionale Aufladung zu erreichen. Kinder lassen sich gerne von diesen Vorstellungsbildern animieren, sie schlüpfen in verschiedene Rollen und spielen (im wahrsten Sinne des Wortes) gerne mit.

➢  Für die rhythmischen Fähigkeiten im Vorschulalter gilt,

—  dass ein gutes Potenzial an sprachlichen und motorischen Möglichkeiten und die beginnende Loslösung von den Eltern selbstbestimmte Handlungen ermöglicht,

—  dass gleichzeitig davon ausgegangen werden muss, dass sich motorische und kognitive Fertigkeiten noch im Prozess der Ausdifferenzierung befinden,

  • dass eine große Faszination für imaginierte Zusammenhänge und Rollenspiele besteht.


  • Erste Seite (i) Vorherige Seite (232)Nächste Seite (234) Letzte Seite (264)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
    - 233 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus