Sprechen geht bei Vorschulkindern noch mit einem verstärkten Körpereinsatz einher:
die Hände gestikulieren in vielfältiger Form – und vor allem an vielfältigen Orten,
wie beispielsweise im eigenen Gesicht – und stützen kognitive und emotionale
Prozesse. Die Aktivitäten mit dem ganzen Körper sichern das Empfinden für das
Selbst genauso ab wie das Verständnis von Sachinhalten. Aus diesem Grunde
leistet die verwobene Tätigkeit von Sprechen und Bewegen einen fundamentalen
Beitrag auch zu einer Entwicklung des Gedächtnisses. Aktivitäten des Körpers
sind notwendige Voraussetzung für die Entwicklung interner Repräsentationen.
Gleichzeitig helfen gleichmäßig wiederholte Bewegungen, differenziertere motorische
Aktionen vorzubereiten. Rhythmische Aktivität über Sprache und Bewegung ist
in einer Entwicklungsphase, in der sich viele Funktionen noch entfalten, eine
außerordentlich wichtige Schnittstelle zwischen biologischer Anlage und musikalischen
Erfordernissen.
Auch wenn sich die kognitiven Möglichkeiten der Kinder unaufhaltsam vermehren, ist dennoch davon auszugehen, dass die intuitive, ganzheitliche Wahrnehmung noch wesentlich ausgeprägter ist als der analytische Blick auf Details. Aus dem Wissen um die Verläufe im Spracherwerbsprozess ist gesichert, dass die kindliche Aufmerksamkeit zunächst mehr der klanglichen Hülle, dem Gesamteindruck gilt und erst später kleineren Einheiten wie Wörtern, Sätzen oder Phonemen. Musikpädagogisch sinnvolles Handeln muss auf diese Tatsache mit dem Angebot von Strukturen reagieren, die geschlossene Einheiten darstellen. Diese Einheiten müssen überschaubar, gut gegliedert sowie sinnvoll akzentuiert sein. Gesprochene oder gesungene Rhythmen beinhalten ein simultanes Erscheinen von Akzentuierungen (und dadurch auch ein Metrum im Sinne einer Betonungsstruktur) und kommen diesem Bedürfnis nach gegliederten Formen entgegen. Auf der emotionalen Ebene ist zu vermerken, dass das Vorschulalter von einer
immensen Fähigkeit zur Fantasie geprägt ist. Auch wenn sich ein rationales Denken
mehr und mehr Bahn bricht, lieben Kinder es, in verschiedene Rollen zu schlüpfen, in
fantastische Welten einzutauchen und so zu tun ›als ob‹. Musikalische Inhalte werden in
der Elementaren Musikpädagogik mit Vorschulkindern deshalb gern mit Themen und
Vorstellungsbildern verbunden (dies gilt letztlich für andere Altersgruppen auch, vgl. die
Stundenmodell für die Eltern-Kind-Gruppen oder die Erwachsenen). Reisen in
fremde Länder, Besuche im Weltall, Abenteuer am Meeresgrund, der Ausflug auf
die Frühlingswiese und vieles mehr sind Möglichkeiten, die Dramaturgie der
Unterrichtsstunden rhythmisch (im Sinne von Spannung und Lösung) zu gestalten und
eine emotionale Aufladung zu erreichen. Kinder lassen sich gerne von diesen
Vorstellungsbildern animieren, sie schlüpfen in verschiedene Rollen und spielen (im
wahrsten Sinne des Wortes) gerne mit.
➢ Für die rhythmischen Fähigkeiten im Vorschulalter gilt,
— dass ein gutes Potenzial an sprachlichen und motorischen Möglichkeiten
und die beginnende Loslösung von den Eltern selbstbestimmte Handlungen
ermöglicht,
— dass gleichzeitig davon ausgegangen werden muss, dass sich motorische und kognitive Fertigkeiten noch im Prozess der Ausdifferenzierung befinden,
|