- 45 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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Das Prinzip Rhythmus ist ontogenetisch früh verankert, Rhythmen werden (auch) subkortikal gesteuert.

Wenn die Einflussnahme durch die Hirnrinde zunimmt, gelingen zunächst symmetrische Bewegungen. Werden diese kontinuierlich wiederholt, etablieren sich Nervenbahnen, die sich zu Mustern zusammenschließen: es entstehen Automatismen. Charakteristisch für das ganze erste Lebensjahr sind dabei rhythmische Aktivitäten. Eine Untersuchung von Esther Thelen (1981) widmete sich dieser rhythmischen Bewegungsaktivität von Säuglingen. Die Bewegungen betrafen Kopf, Extremitäten und Torso, charakteristisch war einerseits die augenfällige Freude, mit der sie ausgeführt wurden, andererseits deren Häufigkeit: bis zu 40 Prozent der Beobachtungszeit verbrachten die Babys mit der Ausübung von rhythmischen Bewegungen (ausführlicher zu dieser Untersuchung vgl. Abschnitt 4.4.2). Thelen formulierte daraus den Grundsatz der betroffenen Altersstufe: »If you can move it at all, move it rhythmically.« (ebd., S. 239).

Rhythmische Bewegungen im Säuglingsalter sind häufig und werden offensichtlich als lustvoll empfunden.

Gesetzmäßigkeiten der Bewegungsentwicklung

Die Entwicklung der Bewegungsfunktionen folgt einer Reihe von Gesetzmäßigkeiten, die auch für die Musikausübung bedeutsam sind (vgl. Lehmann 1995). Dabei gibt es zwei grundsätzliche Richtungen in der motorischen Entwicklung: eine verläuft vom Kopf zu den Füßen und wird auch als cephalo-caudal bezeichnet (vgl. Arbinger 1979, S. 47). Diese Richtung erscheint nachvollziehbar, wenn man sich vor Augen hält, dass der Säugling als erstes lernt, seinen Kopf selbst zu halten, sich etwas später mit Hilfe der Rumpfmuskulatur umzudrehen, gezielt zu greifen, auf den Knien zu krabbeln und erst am Ende dieser Entwicklung auf den Füßen zu laufen. Die andere bestimmende Richtung verläuft von den großen, zentralen Muskeln hin zu den, feineren peripher gelegenen, eine andere Bezeichnung dafür ist proximo-distal. Dieser Verlauf wird deutlich in der Entwicklung des Schreibens bzw. Zeichnens (vgl. Holle 1993, S. 49ff.): Stifte werden im Kleinkindalter zunächst grobmotorisch aus dem Schulter- und Ellenbogengelenk geführt, erst im Vorschulalter setzt die Bewegung im Handgelenk oder schließlich den Finger-Endgelenken an. Die Hand ist zunächst noch proniert, d. h. einwärts gedreht, die Daumen-Seite zeigt nach unten. Erst bei ausgereifterer feinmotorischer Entwicklung dreht sich die Hand mit der Kleinfingerseite nach unten und ist somit supiniert, d. h. auswärts gedreht.

Grundsätzliche Prinzipien sind folgende:
—  Die motorische Entwicklung beginnt mit dem Kopfbereich und verläuft in Richtung Füße.
—  Zentrale, große Muskeln (beispielsweise die Rumpfmuskulatur) können eher differenziert gesteuert werden als kleine, peripher      gelegene (wie die der Finger).
—  Einwärtsdrehung erfolgt in der Entwicklung früher als die Auswärtsdrehung.

Es bleibt festzuhalten, dass Bewegung von Lebensbeginn an eine rhythmische Komponente enthält. Egal, ob es um Saugen, Krabbeln, Schreiben oder Musizieren geht,


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