- 81 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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Die zeitliche Steuerung des Sprechens orientiert sich (antizipierend) an Zielen.

Motorisch geprägte Automatismen

Kalveram (2000) stellt die Sprachsteuerung im Zusammenhang mit der autonomen bzw. zyklischen Mustergenerierung dar, einem Prinzip, das auch für die Fortbewegung relevant ist (vgl. Abschnitt 5.2.3). Dabei sieht er die »Erzeugung einer strukturierten akustischen Sequenz« (ebd., S. 196), also das Sprechen, als Pendant zum motorischen Automatismus. Kalveram geht davon aus, dass zwei unterschiedliche Verfahren für betonte bzw. unbetonte Silben existieren. Er nimmt an, dass die Vokallänge von betonten Silben grundsätzlich zu lang voreingestellt und dann durch Rückmeldung korrigiert wird (ebd., S. 205f.). Die Annahme eines auditiven Feedbacks wird gestützt durch die Erfahrung, dass eine verzögerte Rückmeldung des eigenen Sprachsignals zu einer dem Stottern ähnlichen Unterbrechung bzw. Verlangsamung des Sprechflusses führt (vgl. Bergmann 1987, S. 18f.). Umgekehrt bedeutet dies, dass Sprechende im Normalfall ihren Sprachfluss wahrnehmen und beeinflussen können. Der Einsatz von verzögerter Rückmeldung (›delayed auditory feedback‹ abgekürzt als DAF) in Zusammenhang mit dem Phänomen des Stotterns wird in Abschnitt 5.4.1 dargestellt.

Sprache, Musik und Isochronie

Ein weiterer Aspekt in der zeitlichen Gestaltung des Sprechens ist die Annahme eines Zeitgitters, das der Feingliederung von prosodischen Einheiten zu Grunde liegt (Penner 2000, S. 110). Dabei wird von einer regelmäßigen Folge von Schlägen bzw. Gewichtungseinheiten ausgegangen. Für den musikalischen Bereich geht Dirk-Jan Povel (1984) ebenfalls von einem »temporal grid« (ebd., S. 320ff.) aus, in das die Ereignispunkte eines Rhythmus von der Wahrnehmung eingeordnet werden. Günther Bergmann (1987) erwähnt dieses Modell allerdings auch in Bezug auf den Zeitablauf des Sprechens (ebd, S. 118). In Zusammenhang mit einem gleichabständigen Muster ist im Kontext der Sprachsteuerung die Isochronie-Hypothese zu nennen.

Bei einer gegebenen Sprechgeschwindigkeit ist das Zeitintervall zwischen zwei betonten Silben gleich (oder äquidistant), unabhängig von der Anzahl der unbetonten Silben zwischen den beiden betonten Silben […]. Diese strenge Formulierung ist eindeutig unzutreffend; daher spricht man auch lediglich von einer Isochronie-Tendenz (Bergmann 1987, S. 106).

Shaffer (1982) geht allerdings davon aus, dass für das normale Sprechen keine Gleichabständigkeit im Betonungsmuster existiert: »Stress groups may not form isochronous intervals […] and the temporal patterns of speech […] may not contain a periodic beat.« (ebd., S. 110). Dennoch räumt auch er ein, dass im Fall von rezitierendem Sprechen eine Regelmäßigkeit in der zeitlichen Gestaltung eintreten kann. Bernd Pompino-Marschall (1990) stellt wiederum Untersuchungen vor, die eine – wenn auch abgeschwächte – Isochronie-Hypothese stützen (ebd., S. 8ff.). Er


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