Diskussion
Mit dem In-den-Vordergrund-Rücken der Audiobearbeitung als essenziellem Modus der
Musikproduktion wird das Aufzeichnungsmedium Computer gleichzeitig zum
Musikinstrument. Hier zeigt sich der wohl umstrittenste Aspekt der Arbeit mit digitaler
Musiktechnologie, ist diese Form der musikalischen Betätigung doch deutlich von dem
entfernt, was allgemein unter Musikmachen verstanden wird. Stan Godlovitch (1998,
111ff) bezeichnet diese mit klanglichem Fremdmaterial (oder: »found sound«) wie
mit akustischen Readymades arbeitenden PC-Musiker dann auch folgerichtig
als »Sounders« und fragt auch gleich: »Are sounders musicians?« (ebd., 115)
Als Argument gegen eine Gleichsetzung führt er deren Nicht-Beteiligtsein am
Entstehen der Ursprungsklänge und ihr vermeintliches Verharren in der Rolle des
Zuhörers an: »[T]hey witness the sounds as if members of the audience. If sounders
thus dissolve functionally into the audience, [. . . ] found sound pieces involve
no music-making role« (ebd., 115f). Gegen Godlovitchs These spricht, dass
Musikmachen mit »found sound« in den meisten der oben aufgeführten Beispiele
keineswegs auf der Stufe des bloßen Zuhörens stehen bleibt. Die gefundenen
Soundextrakte bleiben, sieht man einmal vom Fall der bloßen Aneinanderreihung
vorproduzierter Samples ab, nicht in ihrer Ursprungsform erhalten, sondern
liefern nur das akustische und strukturelle Rohmaterial für zum Teil erhebliche
Bearbeitungen. Für die oben angeführten PC-Musiker wird das Bearbeiten
der Samples zum eigenständigen, mitunter auch zum zentralen musikalischen
Schritt:
Die Samplebearbeitung [...], das ist eigentlich die Kreativität. Das, was
andere kreativ mit einer Gitarre machen, das machen wir mit dem Sampler
(Roland S.).
Wie die MIDI-Programmierung bringt auch die Samplebearbeitung neue
Handlungsoptionen und Chancen zur musikalischen Betätigung. Noch gravierender als
MIDI relativiert sie den Stellenwert traditioneller Fertigkeiten im Instrumentalspiel,
macht sie es doch möglich, gänzlich auf das Einspielen von Musik zu verzichten und
dennoch unzweifelhaft musikalische Ergebnisse (auch unter Zugrundelegung von
Instrumentenklängen) zu erzielen. Mehr noch als beim reinen MIDI-Recording rückt
dabei der PC selbst in den Mittelpunkt – oder genauer gesagt: seine Fähigkeit zur
Bereitstellung grafischer Bearbeitungsebenen, über die auch auf kleinste klangliche
Details zugegriffen werden kann. Allerdings lässt sich auch hier keine übermäßige
Orientierung der Probanden an visuellen Parametern erkennen. Auch bei der
Audiobearbeitung – oder gerade hier – wird vorzugsweise hörend komponiert.
Improvisation und Experiment stehen hierbei im Vordergrund. Im Vergleich zur
Programmierung von MIDI-Sequenzen (und generell zur notenbasierten Komposition)
zeichnet sich das Arbeiten auf der Audioebene jedoch durch einen deutlich geringeren
Abstraktionsgrad aus. »Mit der fortschreitenden Visualisierung von Sachverhalten geht
eine Abkehr vom Text – sei es Schrift- oder Notentext – einher, damit aber auch eine
Abkehr von einem Denken in Texten« (Schläbitz 1997, 114). Musikalisch ›gedacht‹ wird
vielfach in Patterns, die aneinander gefügt werden, weniger aber in harmonischen und
melodischen Zusammenhängen (die ja auch über die grafischen Darstellungen
nur schwer erkennbar und beeinflussbar sind). Allerdings greift ein Teil der
vorzugsweise auf der Ebene der Samplebearbeitung aktiven
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