- 134 -Menzel, Karl H.: PC-Musiker 
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Diskussion

Mit dem In-den-Vordergrund-Rücken der Audiobearbeitung als essenziellem Modus der Musikproduktion wird das Aufzeichnungsmedium Computer gleichzeitig zum Musikinstrument. Hier zeigt sich der wohl umstrittenste Aspekt der Arbeit mit digitaler Musiktechnologie, ist diese Form der musikalischen Betätigung doch deutlich von dem entfernt, was allgemein unter Musikmachen verstanden wird. Stan Godlovitch (1998, 111ff) bezeichnet diese mit klanglichem Fremdmaterial (oder: »found sound«) wie mit akustischen Readymades arbeitenden PC-Musiker dann auch folgerichtig als »Sounders« und fragt auch gleich: »Are sounders musicians?« (ebd., 115) Als Argument gegen eine Gleichsetzung führt er deren Nicht-Beteiligtsein am Entstehen der Ursprungsklänge und ihr vermeintliches Verharren in der Rolle des Zuhörers an: »[T]hey witness the sounds as if members of the audience. If sounders thus dissolve functionally into the audience, [. . . ] found sound pieces involve no music-making role« (ebd., 115f). Gegen Godlovitchs These spricht, dass Musikmachen mit »found sound« in den meisten der oben aufgeführten Beispiele keineswegs auf der Stufe des bloßen Zuhörens stehen bleibt. Die gefundenen Soundextrakte bleiben, sieht man einmal vom Fall der bloßen Aneinanderreihung vorproduzierter Samples ab, nicht in ihrer Ursprungsform erhalten, sondern liefern nur das akustische und strukturelle Rohmaterial für zum Teil erhebliche Bearbeitungen. Für die oben angeführten PC-Musiker wird das Bearbeiten der Samples zum eigenständigen, mitunter auch zum zentralen musikalischen Schritt:

Die Samplebearbeitung [...], das ist eigentlich die Kreativität. Das, was andere kreativ mit einer Gitarre machen, das machen wir mit dem Sampler (Roland S.).

Wie die MIDI-Programmierung bringt auch die Samplebearbeitung neue Handlungsoptionen und Chancen zur musikalischen Betätigung. Noch gravierender als MIDI relativiert sie den Stellenwert traditioneller Fertigkeiten im Instrumentalspiel, macht sie es doch möglich, gänzlich auf das Einspielen von Musik zu verzichten und dennoch unzweifelhaft musikalische Ergebnisse (auch unter Zugrundelegung von Instrumentenklängen) zu erzielen. Mehr noch als beim reinen MIDI-Recording rückt dabei der PC selbst in den Mittelpunkt – oder genauer gesagt: seine Fähigkeit zur Bereitstellung grafischer Bearbeitungsebenen, über die auch auf kleinste klangliche Details zugegriffen werden kann. Allerdings lässt sich auch hier keine übermäßige Orientierung der Probanden an visuellen Parametern erkennen. Auch bei der Audiobearbeitung – oder gerade hier – wird vorzugsweise hörend komponiert. Improvisation und Experiment stehen hierbei im Vordergrund. Im Vergleich zur Programmierung von MIDI-Sequenzen (und generell zur notenbasierten Komposition) zeichnet sich das Arbeiten auf der Audioebene jedoch durch einen deutlich geringeren Abstraktionsgrad aus. »Mit der fortschreitenden Visualisierung von Sachverhalten geht eine Abkehr vom Text – sei es Schrift- oder Notentext – einher, damit aber auch eine Abkehr von einem Denken in Texten« (Schläbitz 1997, 114). Musikalisch ›gedacht‹ wird vielfach in Patterns, die aneinander gefügt werden, weniger aber in harmonischen und melodischen Zusammenhängen (die ja auch über die grafischen Darstellungen nur schwer erkennbar und beeinflussbar sind). Allerdings greift ein Teil der vorzugsweise auf der Ebene der Samplebearbeitung aktiven


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