- 135 -Müßgens, Bernhard: Musik und Angst 
  Erste Seite (I) Vorherige Seite (134)Nächste Seite (136) Letzte Seite (215)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 



2.8 Unterhaltung, Element der Bedrohung


Das Verhältnis des Komponisten zur Unterhaltungsmusik und zum Jazz untersucht Klaus Ebbeke in seinen Studien zum Spätwerk Bernd Alois Zimmermanns (Ebbeke, Sprachfindung 40-72). Auf südamerikanischen Tänzen beruht das zwischen 1940 und 1943 entstandene Ballett Alagoana. Ein Satz mit dem Titel Caboclo kommt 1955 während der "Woche für leichte Musik" in Stuttgart zur Aufführung. Dem letzten Satz der Sonata für Violine und Klavier (1950), die Zimmermann im selben Jahr zum Violinkonzert umarbeitet, liegt eine Rumba in Form eines Rondos zugrunde. An die Stelle südamerikanischer Tanzformen tritt in den folgenden Jahren der Jazz. Jazzkompositionen im engeren Sinne sind das Trompetenkonzert von 1954 ("Nobody knows de trouble I see"), die Musik zum Hörspiel Die Befristeten nach Elias Canetti (1967) sowie die geschilderte erste Szene des zweiten Aktes der Oper Die Soldaten. Bezeichnend für Zimmermanns pluralistische Kompositionsweise ist die Jazzmusik zum Tanz der Andalusierin. Stilmerkmale des Jazz und Jazzepisoden weisen die Antiphonen, das Requiem für einen jungen Dichter sowie der Canto di speranza auf.

     Zimmermanns frühe Arrangements für das Unterhaltungsorchester Hermann Hagestedt sind, durch die Ehefrau Sabine Zimmermann bezeugt, für ihn mehr als nur "lästige Pflicht" (Ebbeke, Sprachfindung 42). Unter Kurt Edelhagens Leitung beginnen im Januar 1958 an der Kölner Musikhochschule regelmäßige Jazzkurse. Die Gründe für Zimmermanns bereitwillige Öffnung gegenüber Einflüssen des Jazz in der Oper Die Soldaten sind indessen weder ausschließlich biographisch noch allein zeitgeschichtlich zu verstehen. Die Musik zum Tanz der Andalusierin löst sich von traditionellen Tonhöhenmodellen und selbst der Begriff "Jazzkomposition" erweist sich als fragwürdig. Der Jazz bildet keine geschlossene und selbständige Komposition. Er beruht satztechnisch auf einer Zwölftonreihe, die auch der übrigen Szene zugrunde liegt. Die Jazzmusik wird als Bestandteil eines größeren Werkes zur "Jazzepisode" (Ebbeke, Sprachfindung 62). Für Zimmermann ist sie dennoch Bedeutungsträger besonderer Art. Ihr Sprachcharakter reicht über den des musikalischen Zitats hinaus. Der Jazz umkreist bei Zimmermann einen "bestimmten Sinnhorizont", der im folgenden näher zu untersuchen ist.

     Anleihen aus dem Bereich der Unterhaltungsmusik macht in der ersten Szene des zweiten Aktes der Steptanz der drei Fähnriche. Ebbeke sieht Verbindungen zur Revue der zwanziger und dreißiger Jahre. In seiner Schrift Zwischen Zucht und Ekstase:


 INHALTSVERZEICHNIS


Erste Seite (I) Vorherige Seite (134)Nächste Seite (136) Letzte Seite (215)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 135 -Müßgens, Bernhard: Musik und Angst