- 142 -Müßgens, Bernhard: Musik und Angst 
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den gleichbleibenden, liegenden Ton D. Die Musiker und die betrunkene Gesellschaft folgt "fast wie geblendet, aber nicht wissend wodurch" mit "erloschenen Gesichtern dem Zug der Gefallenen". In das Getöse von Bombendetonationen, Raketengeschossen, Panzer- und Kanonenabschüssen spricht Eisenhardt das Ende des lateinischen Vaterunsers. Wesener reicht der Tochter zitternd ein Geldstück. Während des Diminuendos des Schlußakkords senkt sich eine Atomwolke auf die Bühne nieder. Bei völliger Stille schließt der Vorhang.

     Die Intention des Werkes ist die einer Warnung und eines Appells. Jazz und Unterhaltungsmusik ebenso wie populäre Tänze verschiedener Epochen und Kulturen sind Bestandteile eines unwürdigen Unterhaltungsbetriebs, der Personen zu Objekten des Zeitvertreibs und der vorübergehenden Triebbefriedigung degradiert. Der ekstatische Tanz symbolisiert das selbsterrichtete Labyrinth, worin die Menschheit sich verirrt hat, und den drohenden Weltuntergang. Trotz Einflüssen der Oper Die Soldaten auf simultane Zeitgestaltungen bei Hans Werner Henze (We come to the river, 1976), Hans Zender (Stephen Climax, 1986) und andere bleibt das Werk im Ganzen gesehen einmalig.


Die Radikalität von Zimmermanns Gesamtentwurf hat ... einem pragmatischeren Verhalten Platz gemacht. Die Hermetik des seriellen Stils, bei Zimmermann notwendiges Komplement des Umgangs mit dem Zitat, ist einer größeren Konzilianz dem traditionsgewohnten Hörer gegenüber gewichen. Heute wird keine Oper mehr für ein Theater der Zukunft geschrieben; man paßt eher sich den Gegebenheiten heutigen Theaterbetriebs an und rekurriert gerne zur Kammeroper. So blieben die Soldaten eine Erinnerung an die Zukunft.

(Seipt, "Pluralistisches Musiktheater" 134)


Doch bringt die Anpassung an aufführungstechnische Gegebenheiten nicht notwendig eine inhaltliche Anpassung an gesellschaftliche oder historische Mißstände mit sich. Am Beispiel von Udo Zimmermanns Kammeroper Weiße Rose wird im folgenden deutlich, daß mit den Mitteln der Kammermusik und der Kammeroper eine äußerst betroffen machende Aussage möglich ist, die Musik und Bewegung als Ausdrucksformen existenzieller menschlicher Angst verwendet. Doch rekurrieren selbst die musikdramatisch gegensätzlichen Ausformungen der Angst, wie sie in den genannten Werken Bernd Alois Zimmermanns und Udo Zimmermanns gegeben sind, auf die Bewegungsgrundfiguren Labyrinth und Spirale.


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