- 168 -Müßgens, Bernhard: Musik und Angst 
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Im zweiten Akt von Rossinis Wilhelm Tell finden hohe Glocken als Klangrequisiten der Nacht Verwendung. Im vierten Akt von Meyerbeers Hugenotten steht die tiefe Glocke für die ernste, "funebrale" Semantik. Weitere Beispiele für die Verwendung der Glocke sind die Symphonie fantastique von Hector Berlioz, Fanz Liszts Héroide funèbre und dessen Triomphe funèbre du Tasse, in der tiefe Glocken oder Tamtam vorgesehen sind. Wie im Oratorium Christus von 1866 kann die Glocke, anders als das Tamtam, neben der Totensymbolik auch den Jubel über die Auferstehung Christi bedeuten (Floros, Gustav Mahler 2, 318).

     In den Klavierkompositionen Franz Liszts, vor allem in Les Cloches de Genève, findet Floros eindrucksvolle Imitationen des Glockenklangs. In den Symphonien Gustav Mahlers nimmt der Klang der Glocke unter den Klangsymbolen im engeren Sinne eine besondere Stellung ein. Mit Ausnahme der Ersten und der Zehnten Symphonie sieht Mahler Glocken für alle Symphonien vor. Nach Floros' Auffassung überwiegt die klangsymbolische Funktion der Glocke an jenen Stellen von Mahlers Symphonien, an denen sie als eine Art Melodieinstrument nach Vorbild des Klaviers verwendet wird. In diesen Fällen dient der langanhaltende Ton der Glocke als Symbol der Ewigkeit, als "Musik der Engel, die musica coelestis oder angelica versinnbildlicht", wie im Urlicht der Zweiten Symphonie (Ziffer 3), im zweiten Abschnitt des Finales (Ziffer 2) und im Engelschor der Dritten Symphonie. Für die Scherzi der Fünften und Sechsten Symphonie wie für den Walzer und die Burleske der Neunten Symphonie schreibt Floros dem Glockenklang rein koloristische Funktion zu (Floros, Gustav Mahler 2, 322).



1.4 Furcht vor der Glocke


In der im folgenden zitierten Ballade tritt ein Aspekt des Glockengeläuts zutage, der in den von Floros untersuchten Beispielen nicht zum Tragen kommt: Die Flucht aus Angst vor der Glocke.


Die Wandelnde Glocke


Es war ein Kind, das wollte nie

Zur Kirche sich bequemen,

Und Sonntags fand es stets ein Wie,

Den Weg ins Feld zu nehmen.

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