- 19 -Müßgens, Bernhard: Musik und Angst 
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schreitenden Bewegung zu authentischen Klanggestalten Wegspuren und Wesenszüge seiner selbst erkennen.

Die Bewegungserfahrungen nachzeichnende Musik stellt immer "unsichtbare menschliche Züge" dar (Bloch, Das Prinzip Hoffnung 2, 1244). Metrum und Rhythmus bestimmen die Qualität musikalischer Bewegungen in Anlehnung an Grundformen menschlicher Fortbewegung. Klangfarbe, Harmonik, Melodik und Dynamik charakterisieren eine emotionale Färbung, innere Spannung, räumliche Richtung (im Sinne von Zuwendung und Abkehr), Kraft und Ausdehnung von Bewegungen. Die Grundformen menschlicher Fortbewegung werden nicht in jedem Falle ästhetischer Apperzeption von Musik als konkrete psychische Einheiten erlebt. Das Gehen im Metrum als dem gleichbleibenden Grundschritt liegt den komplexesten musikalischen Rhythmen wie den scheinbar unbewegten, "stehenden" Klängen und Klangmustern als subjektive Zeitempfindung musikalischer Bewegung und innerer Bewegungsvorstellung beim Hören der Musik zugrunde. Wie die Zeit sprichwörtlich voranschreitet, so geht der Ton "mit uns und ist Wir".

     Dem Gesang und dem Tanz mißt Ernst Bloch in der ersten Fassung von Geist der Utopie im Jahr 1918 besondere Bedeutung bei:


Diese beiden sind noch namenlos. Sie leben nicht an sich und niemand hat hier persönlich geformt. Sie besitzen, wo man sie vorfindet, den Reiz des ursprünglichen Anfangens. Aber wir können sie erst dort eigentlich sehen, wo sich ein Künstler auf sie besinnt.

(Bloch, Geist der Utopie 1, 99)


Die zweite Fassung verdeutlicht die bereits oben spürbaren Vorbehalte. Bloch sieht die Gefahr eines politischen Mißbrauchs durch falsche Unmittelbarkeit des Ausdrucks und formuliert 1923:


Wie also hörten wir uns zuerst? Als endloses vor sich Hinsingen und im Tanz. Diese beiden, sagten wir, sind noch namenlos. Sie leben nicht an sich, und niemand hat hier persönlich geformt. Sie besitzen, wo man sie vorfindet, den Reiz des ursprümglichen Anfangens. Doch erst mußte man eben durch anderes hindurch, das diese ursprüngliche Tonweise aus ihrem bloß Unmittelbaren bewußt herausbrachte. Das gar den Ausdruck breit und fest sich zurüsten ließ. Dann freilich können wir Schrei und Tanz wiedersehen, wo sich ein Künstler auf sie besinnt.

(Bloch, Geist der Utopie 2, 66)


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