- 192 -Müßgens, Bernhard: Musik und Angst 
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von oben (= von außen = von außerhalb des kompositorischen Immanenzzusammenhangs); "mit einem Schlage" benennt das Ruckartige des Eingriffs und des Eintretens seiner Folge und "zur alten Ordnung" den durch das Signal eingetretenen neuen Zustand.

(Eggebrecht, Die Musik Gustav Mahlers 90)


Auf der Ebene der Bilder- und Stimmungsgehalte ist die Differenz zwischen Adornos "Durchbruch"- und Eggebrechts "Signal"-Interpretation auf jene Alternative zurückzuführen, die uns im Zusammenhang der geblasenen Signale des Alten Testaments als militärischer oder religiös-kultischer Bedeutungskreis begegnete. Adorno neigt zur religiösen, Eggebrecht zur militärischen Interpretation der Fanfaren. Doch greifen die Unterschiede in Wahrheit tiefer. Der Wert der Analysen Theodor Adornos liegt in seiner umfassenden gesellschaftlichen und kulturkritischen Perspektive, die Bedeutung der Arbeiten Eggebrechts in der detaillierten Analyse musikalischer Formverläufe, die Adorno vielfach nur in groben Zügen umreißt. Eine weitere mögliche Deutung des militärischen Signals sei abschließend erwähnt. In seiner Schrift "Hemmung, Symptom und Angst" verwendet Sigmund Freud militärische Begriffe, um seelische Vorgänge zu veranschaulichen.


Für den Fall der Verdrängung wird die Tatsache entscheidend, daß das Ich eine Organisation ist, das Es aber keine; das Ich ist eben der organisierte Teil des Es. Es wäre ganz ungerechtfertigt, wenn man sich vorstellte, Ich und Es seien wie zwei verschiedene Heerlager; durch die Verdrängung suche das Ich ein Stück des Es zu unterdrücken, nun komme das übrige Es dem Angegriffenen zu Hilfe und messe seine Stärke mit der des Ichs. Das mag oft zustande kommen, aber es ist gewiß nicht die Eingangssituation der Verdrängung; in der Regel bleibt die zu verdrängende Triebregung isoliert. Hat der Akt der Verdrängung uns die Stärke des Ichs gezeigt, so legt er doch in einem auch Zeugnis ab für dessen Ohnmacht und für die Unbeeinflußbarkeit der einzelnen Triebregung des Es. Denn der Vorgang, der durch die Verdrängung zum Symptom geworden ist, behauptet nun seine Existenz außerhalb der Ichorganisation und unabhängig von ihr. Und nicht er allein, auch alle seine Abkömmlinge genießen dasselbe Vorrecht, man möchte sagen: der Exterritorialität, und wo sie mit Anteilen der Ichorganisation assoziativ zusammentreffen, wird es fraglich, ob sie diese nicht zu sich herüberziehen und sich mit diesem Gewinn auf Kosten des Ichs ausbreiten werden ...; nach dem ersten Akt der Verdrängung folgt ein langwieriges oder nie zu beendendes Nachspiel, der Kampf gegen die Triebregung findet seine Fortsetzung in dem Kampf gegen das Symptom.

(Freud, "Hemmung, Symptom und Angst" 242-243)


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