- 66 -Müßgens, Bernhard: Musik und Angst 
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"Ein Maler (etwa I. Kokoschka, oder II. Kandinsky, oder III. Roller) entwirft alle Hauptszenen" (Schönberg, Briefe 41). Die Reihenfolge Kokoschka - Kandinsky finden wir zuvor im Zusammenhang der Entstehung des Almanachs Der Blaue Reiter. Kandinskys Lebensgefährtin Gabriele Münter schreibt in einem Brief aus München vom 16. März 1912 unter Bezug auf Schönbergs Beitrag "Das Verhältnis zum Text":


Sehr geehrter Herr Schönberg!

Beim Durchlesen der allerletzten Correktur fällt mir noch einmal die Stelle auf, die mir schon einmal komisch vorkam, u. da ich glaube, daß es nur aus Flüchtigkeit so gekommen ist, möchte ich Sie fragen, ob es Ihnen angenehm ist, wenn Kokoschka vor Kandinsky stehen bleibt ... Ich hörte, er ist noch sehr jung, u. soviel ich weiß hat er außer äußerst talentvollen Bildern noch nicht viel gemacht u. auch kaum Zeit zu einer bedeutenden Entwicklung [gehabt]. Wenn Sie es wünschen u. gleich antworten, kann es eventuell noch richtiggestellt werden, d.h. wenn es in ihren Augen nicht schon richtig ist. Sie wissen wohl, daß die Reihenfolge Bedeutung hat ...".

(Hahl-Koch, Arnold Schönberg - Wassily Kandinsky 65)


Schönberg stimmt der Änderung zu.

     Ohne Zweifel ist Wassily Kandinskys Schreiben an Arnold Schönberg vom 18. Januar 1911 aus München als der Beginn der Bekanntschaft zwischen zwei Künstlern anzusehen, deren persönliche und schöpferische Entwicklungen bis dahin voneinander unabhängig weitreichende Parallelen aufweisen. Den naturnahen Märchen- und Sagenmotiven in Kandinskys frühen Holzschnitten von 1903 entsprechen Schönbergs Pelleas und Melisande aus dem selben Jahr sowie die Gurre-Lieder, die im Jahre 1900 entstehen und mit Unterbrechungen bis 1911 instrumentiert werden. Schönbergs Auflösung der Tonarten, seine zeitliche Verdichtung musikalischer Formen und die Gleichberechtigung von Konsonanz und Dissonanz in den Jahren ab 1907 korrespondieren mit Kandinskys Abrücken vom Gegenstand in der Malerei sowie mit der allmählichen Auflösung der Perspektive. Schönbergs und Kandinskys theoretische Hauptwerke, die Harmonielehre und Über das Geistige in der Kunst erscheinen kurz nacheinander in den Jahren 1911 und 1912. Beide Künstler sind nach der Überwindung der traditionellen Grundlagen ihrer Künste mit ihrer schöpferischen und konstruktiven Neuordnung befaßt (Vgl. Hahl-Koch, Arnold Schönberg - Wassily Kandinsky 181-185).

     Wassily Kandinsky und Franz Marc hören am Neujahrstag 1911 in München gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der "Neuen Künstlervereinigung" ein Konzert mit Schönbergs Streichquartett opus 10 aus den Jahren 1907 bis 1908 und mit den Drei


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