- 67 -Müßgens, Bernhard: Musik und Angst 
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Klavierstücken opus 11 von 1909. Kandinsky erkennt die Neuartigkeit des subjektiven Ausdrucks in Schönbergs Werken. Am 18. Januar 1911 schreibt er an Schönberg: "Sie haben in ihren Werken das verwirklicht, wonach ich in freilich unbestimmter Form in der Musik so eine große Sehnsucht hatte. Das selbstständige (!) Gehen durch eigene Schicksale ..."(Hahl-Koch, Arnold Schönberg - Wassily Kandinsky 19).

     Das am 1. Januar 1911 aufgeführte zweite Streichquartett leitet jene Schaffensphase ein, in der Arnold Schönberg den Grundtonbezug in der Musik auflöst. Im vierten Satz schwindet das tonale Zentrum zu den Worten der Singstimme "Ich fühle Luft von anderem Planeten". Stuckenschmidt sieht die Phasen der Entstehung des Quartetts im Zusammenhang mit jener Ehetragödie, deren Spuren im Drama mit Musik Die glückliche Hand deutlicher hervortreten (Stuckenschmidt, Schönberg 88-90).

     Am 9. März 1907 beginnt Schönberg mit der Komposition. Mehrfach unterbricht er die Arbeit wegen anderer Werke. Die vier Sätze entstehen nicht chronologisch. Den zweiten Satz beendet er am 27. Juli 1908, den dritten, zu dem eine Singstimme hinzutritt, bereits am 11. Juli. Im Sommer 1908 verläßt Mathilde Schönberg ihren Mann und die Kinder. Mit Richard Gerstl lebt sie eine Zeit zusammen, um schließlich zu Schönberg und zur Familie zurückzukehren. Stuckenschmidt sieht die Spuren jener Erlebnisse in dem skurrilen Ausdruck des zweiten Satzes, in dem ab Takt 164 ein Trio im langsamen Dreivierteltakt einsetzt. Schönberg zitiert das Wiener Lied "Ach, Du lieber Augustin" und führt es in einigen Variationen durch (Vgl. Stuckenschmidt, Schönberg 89). Kandinskys Schreiben von 1911 verdeutlicht, daß er die labyrinthische Struktur des Werkes in jenem Konzert in München intuitiv erfaßt.

     Im September 1911 begegnen sich Kandinsky und Schönberg in Berg am Starnberger See, unweit von München, zum ersten Mal. Kandinsky erweist sich in den folgenden Jahren als der aktivere Partner. Er übersetzt Schönbergs Harmonielehre für den Katalog einer russischen Ausstellung, die auch einige von Schönbergs Bildern zeigt. (Hahl-Koch, Arnold Schönberg - Wassily Kandinsky 173 und 179). Durch Kandinskys Vermittlung reist Schönberg Ende 1912 nach Petersburg, und Kandinsky drängt Schönberg zur Mitwirkung am Almanach Der Blaue Reiter und an den Ausstellungen des Blauen Reiters, deren erste im Dezember 1911 in München eröffnet wird (Vgl. Lankheit, "Die Geschichte des Almanachs" 257). Im April 1923 versucht Kandinsky, Schönberg für die Mitarbeit am "Bauhaus" zu gewinnen, als eine Intrige, die nach Hahl-Kochs begründeter Überzeugung auf die damals mit Walter Gropius verheiratete Alma Mahler zurückgeht, Schönberg und Kandinsky wegen einer angeblich


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