- 70 -Müßgens, Bernhard: Musik und Angst 
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Schrecken ..."(Hartmann, nach Hahl-Koch Arnold Schönberg - Wassily Kandinsky 199). Die Ausweitung des Kriegermotivs führt zu einem Bühnenspiel mit dem Titel "Riesen". Der überarbeiteten Fassung gibt Kandinsky im März 1909 den Titel "Der gelbe Klang".

     Mutmaßungen, nach denen Schönberg und Kandinsky sich bereits in den Jahren 1906 oder 1909 begegnet sein könnten, sind während der siebziger Jahre Grundlage mehrfacher Versuche über frühe wechselseitige Beeinflussungen zwischen Schönberg und Kandinsky. Crawford zeigt in einer ausführlichen Tabelle Parallelen zwischen der von Kandinsky in der Schrift Über das Geistige in der Kunst (1912) entworfenen Farbtheorie und der Verwendung von Farben und Klängen als Ausdruck von Emotionen im Klang-Licht-Crescendo des dritten Bildes von Schönbergs Drama opus 18 (Crawford, "Die glückliche Hand" 586-588). Inzwischen gilt als gesichert, daß Schönberg die Arbeit am Libretto im Juni 1910 beendet (Vgl. Stuckenschmidt, Schönberg 114). Ein direkter Einfluß Kandinskys auf Schönbergs frühes Gesamtkunstwerk ist daher auszuschließen.

     Kandinsky geht im Gegensatz zu Schönberg von Sagen und Märchen aus und kommt durch Abstraktion von der äußeren Handlung zu einer Komposition, die persönlichen Traumerlebnissen gleicht. Schönberg findet umgekehrt von der kompositorischen Verarbeitung traumatischer Erlebnisse zu einer Komposition, die mythologische Elemente einschließt. Das Drama opus 18 erscheint märchenhaft und birgt Elemente von Märchen. Unabhängig voneinander verbinden Kandinsky und Schönberg in den Jahren um 1910 Mythologie und Moderne. Der nachfolgende Ausschnitt gibt einen Einblick in Kandinskys Bühnenkomposition "Der gelbe Klang". Die Differenz zu Schönbergs frühen Angst-Kompositionen wird deutlich.


Bild 3

Hinterbühne: Zwei große rotbraune Felsen, der eine spitz, der andere rundlich und größer als der erste. Hintergrund: Schwarz. Zwischen den Felsen stehen die Riesen (des Bildes 1) [fünf "grellgelbe Riesen (möglichst große)", mit "teils hochgehobenen, teils tiefen Schultern, mit sonderbaren gelben Gesichtern, die undeutlich sind", Bild 1, d.V.] und flüstern einander klanglos etwas zu. Bald flüstern sie paarweise, bald nähern sich alle Köpfe einander. Der Körper bleibt unbeweglich. In schneller Abwechslung fallen von allen Seiten grellfarbige Strahlen (blau, rot, violett, grün wechseln mehrere Male). Dann treffen sich alle diese Strahlen in der Mitte, wodurch sie gemischt werden. Es bleibt alles unbeweglich. Die Riesen sind beinahe gar nicht sichtbar. Plötzlich verschwinden alle Farben. Es wird einen Augenblick schwarz. Dann fließt auf die Bühne ein mattes gelbes Licht, welches allmählich immer intensiver wird, bis die ganze Bühne grell zitronengelb wird. Mit der Steigerung des Lichtes geht die Musik in die Tiefe und wird immer dunkler (diese Bewegung erinnert an das Hineindrücken einer Schnecke in ihre Muschel). Zur Zeit dieser


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