wie z. B. jugendlich frische, moderne Varianten des
überregional bekannten
Glückauf oder des
Vugelbeerbaamliedes (1887) eines
14-jährigen Solisten bei den Jugendkulturtagen 2006 des Erzgebirgsvereins –
basieren auf tradierten Mustern der Mundartpflege als einer laienspezifischen
Vereins- und Bühnenkunst, die seit jeher den Medienzugang begünstigte. Auch die
Mundartpflege reflektiert in Wahrnehmung der mit der Globalisierung einhergehenden
unumkehrbaren alltagssprachlichen Veränderungen verstärkt traditionelle wie
aktualisierte Identifikationsprozesse vor Ort. Neben ihrem Anspruch, Erinnerungskultur
sowie alltagskritische »Gegenkultur« zu sein, bedarf die Mundartpflege, um wirksam zu
sein, der Modernität einer kommerzialisierten Medienwelt. Die Medien, die einerseits den
Rückzug der Dialekte aus der öffentlichen Kommunikation forcierten, tragen andererseits
zu ihrer Bewahrung bei.
Es
ist
das
doppelte
Glück
des
Lebens
in
der
Provinz,
dass
die
Kraft,
die
die
Heimeligkeit
verlogen
macht,
immer
wieder
stark
genug
ist,
die
Verlogenheit
heimelig
zu
machen
(Cybinski
1992, S. 22).
1. Erzgebirgisches Mundartlied im gesellschaftlichen Fokus
Im Mittelpunkt meiner Ausführungen steht das erzgebirgische Mundartlied.
Sein sentimentales Heimatbekenntnis, musikalisch ausgedrückt in schlichten
instrumental begleiteten ein- bis mehrstimmigen Gesängen, war dazu geeignet, die am
Heimatgedanken des 1878 gegründeten Erzgebirgsvereins e. V. ausgerichtete touristische
Erschließung des Erzgebirges zu unterstützen und den mit der Industriemoderne
aufkommenden Werteverlusten und »Vermissungserlebnissen« (Lipp 1990, S. 161) eine
andersartige Erfahrungs- und Gefühlswelt entgegenzusetzen. Auch das Engagement
Laienschaffender für die Erhaltung und Aktualisierung regionalen Liedguts war Teil einer
Gegenkultur zu der Kulturindustrie »übersättigter Großstädte« (Groß 2001, S. 26).
Gegenläufig zur wirtschaftsorientierten »Massenkultur« erfolgte eine allgemeine
Aufwertung alltagskultureller »Banalität« und volkskultureller Elemente (Tanner 2004,
S. 6). Als »Heimatlied« stand das erzgebirgische Mundartlied im Einklang mit den
kulturellen Leitbildern eines Bildungsbürgertums, das die späterhin durchorganisierte
und politisierte deutsche Heimatbewegung (1871–1945), in die auch die Lehrerschaft
stark involviert war, ausgelöst hatte.
Es folgten eine neoromantische Idealisierung der Vergangenheit und die Propagierung
eines unkritischen Heimat- und Volkstumsstolzes in der Weimarer Republik, die im
Nationalsozialismus als politisch-kultureller Regionalismus ihre Fortführung fanden (Ditt
1990). Angesichts solcher Ideologisierungen blieb der althergebrachte Heimatbegriff in
der DDR z. T. bis in die 1960er Jahre negativ besetzt.
So regte z. B. der Gymnasial-Professor Karl Reuschel (1872–1924) in der ihm vom
Verband Deutscher Vereine für Volkskunde 1913 übertragenen Verantwortung in
Sachsen 1914 einen Sächsischen Ausschuss zum Sammeln deutscher Volkslieder an.
Volkslied-Publikationen4
Vgl. Förster 1930; John 1909; Müller 1883; Rösch 1887; Schneider 1925; Uhlig 1913.-->
berücksichtigten zunehmend tradiertes regionales