- 167 -Probst-Effah, Gisela (Hrsg.): Musikalische Volkskultur und elektronische Medien 
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Sinne, voller Ideen und energiegeladen, der großes Interesse daran hat, Kontakt zu unseren Studierenden aufzunehmen; dies auch deshalb, weil er dringend nach professionellen Musikern sucht, die in Wien leben und die für die ungarische Musik zu begeistern sind.

Fritz Oberhofer ist gern bereit, die beiden in die Szene einzuführen. Sie machen Feldforschung in actu bei einem Tanzhaus und explorativ in langen Gesprächen mit Oberhofer, der die Gewährsperson und ein idealer Vermittler zwischen den Kulturen ist. Schließlich liegen mehrstündige Interviewaufnahmen vor. Es wird ein Protokoll der Aufnahmen angefertigt, anhand dessen Katharina und Balázs Sebestyen sich überlegen, wie sie schneiden, d. h. welche Ausschnitte sie für die Sendung verwenden. Die Zugangsweise ist nicht die des Journalisten, der nur so viele Fragen stellt, wie er Antworten in der Sendezeit unterbringen kann; vielmehr ist der Ansatz der der ethnomusikologischen Feldforschung, des ero-epischen Gesprächs, wie es Girtler (1995) nennt. Natürlich bedeutet das mehr Arbeit für die Radiosendung, aber das Tonmaterial, das gewonnen wird, ist vielfältiger verwendbar. Katharina Sebestyen überlegt bereits, ob sie nicht ihre Diplomarbeit über dieses Thema schreiben soll. Außerdem will sie nun Ungarisch lernen.

Aus der Materialfülle, die sie erworben haben, bauen beide Studenten einen Beitrag, der das Tanzhaus und die Person Fritz Oberhofer vorstellt, bestehend aus Musik vom Tanzhaus, dem Interview mit Oberhofer und Moderationen, gesprochen von Katharina Sebestyen.

Für Fritz Oberhofer als Vertreter der Minderheitenszene der Ungarn hat dieser Kontakt mehrfache Vorteile: Es wird in einem Medium über seine Aktivitäten berichtet, er erreicht eine größere Öffentlichkeit. Das ist ihm besonders wichtig, weil er junge Leute für seine Tanzhausbewegung anwerben möchte. Er bekommt persönlichen Kontakt zu Musikern der Musikuniversität, den er auch sofort zu nutzen versteht, indem er Katharina Sebestyen animiert, in seinem Instrumentalensemble, das den Tanz begleitet, mitzuwirken. Das Netzwerk hat sich erweitert.

Es fand außerdem – wie oft bei Feldforschungen – eine offensichtlich sehr positive persönliche Interaktion statt, die konkrete Auswirkungen hat, sowohl für die Minderheitengruppe als auch für die Studierenden. Für Katharina und Balázs Sebestyen hat sich eine neue musikalische Welt erschlossen, sie haben inhaltlich einiges über eine Minderheitenkultur erfahren, und Balázs Sebestyen hat eigene kulturelle Wurzeln in Wien entdeckt. Beide haben eine äußerst positive Feldforschungserfahrung gemacht und einen praktischen Einstieg ins Fach bewältigt. Sie haben gelernt, wie man sich in der Vermittlung auf das Wesentliche beschränkt, sie haben die Technik gemeistert und sich Moderationstechnik angeeignet.

Es geht bei dem Projekt Studierende machen Radio nicht um Perfektion. Die Beiträge müssen sendefähig sein, kleine technische Mängel werden dabei toleriert. Zu den Hauptanliegen gehört es, die Studierenden auf eine etwas andere Art an ethnomusikologische Inhalte heranzuführen, die nicht nur eine rezeptive Haltung, sondern auch aktives Gestalten erfordert. Darüber hinaus ist die gesellschaftspolitische Motivation zentral, Minderheiten mehr mediale Öffentlichkeit zu ermöglichen, als ihnen vom Mainstream zugestanden wird.


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