- 147 -Schmidt, Patrick L.: Interne Repräsentation musikalischer Strukturen 
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Schlussbetrachtungen

Musikpädagogische Implikationen

Bei der vorliegenden Dissertation handelt es sich um eine Grundlagenarbeit. Es wurde im Wesentlichen festgestellt, dass sich der Kehlkopf beim Vorstellen von Musik bewegt und dass eine positive Korrelation zur Qualität musikalischer Klangvorstellung existiert. Die Bedeutung dieser motorischen Prozesse muss letztendlich unklar bleiben. Die empirisch bestätigte (oder besser gesagt nicht falsifizierte) Beziehung zwischen Kehlkopfbewegungen und der Güte der musikalischen Klangvorstellung darf nicht mit einer bestätigten Kausalbeziehung im Sinne einer eindeutigen Ursache-Wirkungs-Sequenz verwechselt werden. Weder die Korrelation der EMG-Werte mit den »AMMA«-Testergebnissen noch der diesbezüglich signifikante Gruppenunterschied lassen die Interpretation einer kausalen Richtung zu. Es ist weder geklärt, ob stärkere Kehlkopfaktivitäten zu einer besseren musikalischen Klangvorstellung führen, noch ob eine gute Klangvorstellungsfähigkeit ursächlich für stärkere Kehlkopfbewegungen verantwortlich ist. Möglich wäre auch, dass eine (oder mehrere) unbekannte Variable(n) sowohl die Stärke motorischer Prozesse als auch die Qualität der Klangvorstellung negativ oder positiv beeinflusst. Ein Faktor wie »Prüfungsangst« kommt hierfür jedenfalls nicht in Frage, da zu erwarten wäre, dass die Testleistung zurückgeht, während gleichzeitig die muskuläre Verspannung ansteigt. Die motorischen Prozesse sind auch nicht allgemein auf sensiblere physiologische Reaktionen der Musiker auf musikalische Reize zurückzuführen, da auch bei musikalischen Laien signifikante Kehlkopfbewegungen bei Klangvorstellungen festgestellt wurden. Diese unterschieden sich zudem in ihrer Stärke nicht von denen von Musikern. Diese Erkenntnis und der Befund, dass die EMG-Werte in keinem Zusammenhang zur musikalischen Erfahrung (musikalisches Lernalter, gespieltes Instrument und Singhäufigkeit) standen, sprechen dagegen, dass Kehlkopfbewegungen bei musikalischen Klangvorstellungen z. B. durch häufiges Singen im Laufe der allgemeinen musikalischen Entwicklung »erlernt« werden.

Aus den Ergebnissen dieser Arbeit lassen sich also streng genommen keine musikpädagogischen Konsequenzen ableiten. Die im Theorieteil angeführten Argumente sowie einige Studien deuten aber daraufhin, dass eine enge Beziehung zwischen Stimme und Gehör existiert. Die alltägliche Erfahrung aus dem Instrumentalunterricht zeigt, dass Menschen, die keine Probleme haben, eine Melodie nach Gehör oder aus dem (Langzeit-)Gedächtnis zu singen, diese auch relativ schnell auf ihr Instrument übertragen können. Andernfalls gelingt dies wesentlich langsamer oder gar nicht. Melodien, von denen man eine exakte Vorstellung hat, kann man auch singen. Umgekehrt erscheint es unmöglich, eine Melodie zu singen, die man sich nicht oder nur sehr verschwommen vorstellen kann. Möglicherweise kommen einem dann nur melodisch/harmonische Fragmente oder rhythmische Details in den Sinn. Ein mehr oder weniger hörbarer Einsatz der Singstimme scheint auch bei der Wiedererkennung von Musik nach Noten hilfreich zu sein.


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