- 149 -Schmidt, Patrick L.: Interne Repräsentation musikalischer Strukturen 
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Vielleicht wäre eine Gruppeneinteilung nach der Fähigkeit akustisch dargebotene Töne nachzusingen, sinnvoller. Dies würde ermöglichen, die Hypothese zu prüfen, ob »schlechte Nachsänger« (»Brummer«) auch schlechte Leistungen in musikalischen Gedächtnistests zeigen und ob diese – wie zu erwarten – besonders von einem Singtraining profitieren. Dies könnte als weiterer Beleg für die Richtigkeit der Annahme gedeutet werden, dass äußere und verdeckte Singbewegungen die musikalische Klangvorstellung unterstützen.

Abgesehen von den bereits vorgeschlagenen zukünftigen Forschungsprojekten zur Untersuchung der Bedeutung motorischer Prozesse im Stimmapparat sei noch die empirische Prüfung folgender exemplarischer Fragen angeregt:

1.
Gibt es einen (direkten) Zusammenhang zwischen vorgestellter Tonhöhe und der elektromyographischen Aktivität in den an der Hebung und Senkung des Kehlkopfes beteiligten spezifischen Muskeln?
2.
Gibt es einen (direkten) Zusammenhang zwischen der Vorstellung von Rhythmen/Metren und der elektromyographischen Aktivität in den Kehlkopfmuskeln?
3.
Gibt es einen (direkten) Zusammenhang zwischen der Komplexität der Vorstellungsinhalte (z. B. Melodievergleiche oder Bestimmung von Intervallen) und der Kehlkopfaktivität?
4.
Sind auch beim Vorstellen von Umweltgeräuschen oder der Klangfarbe eines Instrumentes Kehlkopfbewegungen nachzuweisen?
5.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem zeitlichen Auftreten von Vorstellungen und Kehlkopfbewegungen?
6.
Sind bei Klangvorstellungen auch unspezifische – nicht an der Stimmgebung oder an der Klangerzeugung auf einem Instrument beteiligte – Muskeln aktiv?

Es bleiben zwangsläufig mehr Fragen offen als durch diese Dissertation gelöst werden konnten. Die Ergebnisse deuten jedoch daraufhin, dass musikalische Klangvorstellung dem Wesen nach kein rein »geistiger« bzw. nur auf mysteriösen zentralistischen Vorgängen im Gehirn bzw. in einer »Black Box« basierender Prozess ist, wie es dieser Begriff und andere weit verbreitete sprachliche Formulierungen (z. B.: »Inneres/mentales Hören«, »Im Geiste hören/sehen«; »Inneres Ohr«) oder auch Buchtitel, wie z. B. »Musik im Kopf« (Spitzer 2002) oder »Das wohltemperierte Gehirn: Wie Musik im Kopf entsteht und wirkt« (Jourdain 1998) sowie zahlreiche musikbezogene Untersuchungen der Gehirnaktivität u. a. mittels funktioneller bildgebender Verfahren nahe legen. Eine solche Vorstellung (musikalischer) Imagination setzt zum Einen eine Art »Projektionsfläche«, zum Anderen die physische Speicherung analoger Wahrnehmungsinhalte sowie eine übergeordnete Instanz für den willentlichen Abruf und die Bewertung von Vorstellungsinhalten im Gehirn voraus. Diese Annahmen können aber nicht als endgültig belegt angesehen werden.

Denkbar wäre, dass das Gehirn weniger als Entstehungsort höherer »geistiger« Fähigkeiten, wie musikalische Klangvorstellung oder sogar als »Denkorgan« zu betrachten ist, sondern vielmehr als komplexe »Schaltzentrale« dient, in der die Informationen aller Sinnesorgane zusammen laufen, aufgrund individueller Lebenserfahrungen miteinander verknüpft werden und sich gegenseitig beeinflussen.


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