- 131 -Sonntag, Brunhilde (Hrsg.): Adorno in seinen musikalischen Schriften 
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Ich sende Kopie dieses Schreiben mit gleicher Post an Frau Helene BERG und an die Universal Edition A.G. in Wien.


Ihrer Antwort entgegensehend zeichne ich

          hochachtungsvoll

               Dr. Eytan Otto LIFF


+) an Frau Helene Berg

1. Beilage" 14)


Als Adorno Helene Berg wissen ließ, er beabsichtige, eine Monographie über Berg zu schreiben, stieß er auf wenig Unterstützung:


"Für Ihre Scheu, in öffentliche Kontroversen hineingezogen zu werden, habe ich alles Verständnis; Sie müßten nicht die sein, die Sie sind, wenn Sie anders reagierten. Aber ich möchte Sie bitten, in dieser Sache Verständnis auch für mich zu haben. Als Frau Lafite an mich herantrat, zögerte ich sehr. Es ist über Alban von allen möglichen Völkerschaften so viel zusammengeschmiert worden, daß ich unter keinen Umständen mit den Redlich, Willnauer, Reich e tutti quanti verwechselt werden wollte; nach seinem Verhalten zu mir in einer ganz anderen Angelegenheit muß ich Reich zu jenen hinzu rechnen. So tief ich davon überzeugt bin, daß die Distanz durch meine Arbeit selbst gesetzt wird und vollends durch die sehr weit ausgreifenden neuen Bestandteile des Buches - die Gefahr, daß man mich mit jenen Leuten in einen Topf wirft, ohne daß ich in eine meiner nicht würdige Konkurrenzsituation gerate, ist in der Öffentlichkeit doch recht groß. Ich habe halt auch meinen Stolz." 15)


Wie sehr auch Adorno Berg nahegestanden, wie scharfsinnig und eindringlich er das Leben und vor allem das Werk seines Lehrers erfaßt haben mochte, wurde er letzten Endes für Alban Bergs Witwe, Helene - wie der mit Kugelschreiber geschriebene Satz auf dem Kuvert seines Patezettels und Nachrufes dokumentiert - "nur Schüler von Alban Berg." 16)


Zusammenfassend ist zu sagen: Trotz aller Achtung vor Adorno zählte ihn Alban Berg doch nicht zu seinem ganz engen Schülerkreis, so wie es bei Julius Schloß oder Hans Erich Apostel der Fall war. Nach Bergs Ableben wurde dieses Bild durch Helene Bergs Verhältnis Adorno gegenüber verschärft. Die Nachwelt darf aber dazu sagen, daß "nur" dank diesen frühen Aufsätzen, die unter Bergs Aufsicht entstanden und seine freudige Begeisterung für den Verfasser erweckten, und dem Einsatz für die "Neue Musik" die Tradition der Wiener Schule an den Schülerkreis der Nachkriegszeit in Europa weitergegeben wurde. Im Lichte Alban Bergs ist dies auch das ganz große Verdienst von Theodor Wiesengrund Adorno.


Anmerkungen


1) F21 Berg 1535/1, Brief aus Frankfurt/Main, 5. Februar 1925. Wegen der unmittelbar bevorstehenden Veröffentlichung des Briefwechsels Adorno/Berg (hrsg. u. komm. v. Rudolf Stephan)


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