- 186 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
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bei der Gestaltung setzte sich entscheidend ab von jeder gängigen Chorpraxis zum Zwecke der Veranstaltung.

Mit der JMB verbindet sich das Auffinden und die Wiederbelebung Alter Musik und alter Instrumente. Es ist kein Zufall, daß viele Verantwortliche in der JMB mit der Musikwissenschaft eng verbunden waren. Zumeist begannen sie das musikwissenschaftliche Studium nach einer schon geübten Praxis als Singleiter, um tiefere Kenntnisse zu erlangen. So begleitete die Musikwissenschaft mal mehr mal weniger die auf Tun und Leben gerichtete JMB. Es sind die Alten Madrigale, die Alten Volksliedersätze, die Kanons des 15. bis 18. Jahrhunderts, die geistliche Musik, die in ihrem Stilwillen erkannt und derart zu lebendigem Besitz wurden. Man "machte" diese Musik nicht, sondern man lebte mit ihr und in ihr. Das gelang nicht immer in höchster Vollendung.

Im Gegenpendelschlag zur großen Klangentfaltung in Oper und Konzert versuchte man in der persönlichen Zurücknahme, in der dienenden Haltung den objektiven musikalischen Gesetzen der Polyphonie gerecht zu werden. Das ging auch bis zum musikalischen Puritanismus, bis zur Klangaskese. Doch die Breite der Verwirklichung spannte sich bis zu den großartigen Leistungen der Fahrtenchöre, dem Heinrich-Schütz-Kreis, dem Deutschen Singkreis u.a.

Mit Heinrich Schütz und mit den niederländischen Meistern des 15. Jhdts. gewann man eine andere Erfahrung in der Musik, eine andere Gesetzlichkeit, die im Gegensatz zur klassisch-romantischen Epoche stand. Kein Fortschrittsglaube konnte bei dem Rückgriff Pate stehen. Anstelle von dualistischer thematischer Verarbeitung, von Steigerung und Höhepunkt, von Auf und Ab der Melodien, von Dur und Moll, der funktionalen Harmonik und der chromatischen Differenzierung trat eine schwingende, kreisende, in sich ruhende Musik. Es ging um die Linienführung, um die Verschlingung und Verdichtung im polyphonen Gewebe und bei Schütz um die Wortverkündigung durch musikalische Interpretation - darin bestand die Neuentdeckung. Die Wiederbelebung alter Instrumente begann mit der Laute. Aus dem "Zupfgeigenhansl" wurde der polyphone Spieler auf der Renaissance-Laute, auf der Theorbe, auf der 24-saitigen Knickhalslaute. Mit der Blockflöte bewies man schon im ersten Anlauf ihre künstlerischen Möglichkeiten, was ja heute zum selbstverständlichen Gebrauch im Konzertleben geführt hat.


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