- 13 -Weyde, Tillman: Lern- und wissensbasierte Analyse von Rhythmen 
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durchgängig akzeptierte Begriffe fehlen. Es scheint weder über den Gegenstand noch über das Ziel einer Theorie der Rhythmik Klarheit zu geben.13 Anders als in der Harmonik, wo mit Stufen- und Funktionstheorie zwei Systeme zur Analyse harmonischer Strukturen entwickelt wurden, die generell anerkannt und in Gebrauch sind, haben sich in der Rhythmik keine einheitliches System durchsetzen können.

Man kann über die Gründe hierfür spekulieren. Eine Ursache für das mangelnde Interesse ist vermutlich der relativ geringe Bedarf an einer Theorie der Rhythmik. Die enorme Entwicklung der dur-moll-tonalen Harmonik im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert zog einen Bedarf an theoretischen Werkzeugen nach sich und stand im Mittelpunkt des Interesses. Im Gegensatz zur Harmonielehre galt und gilt Rhythmus in der Musikausbildung als einfacher und intellektuell weniger anspruchsvoll. Neben diesen außerhalb der Rhythmik liegenden Gründen, sind weitere Ursachen für geringen Erfolg rhythmischer Theorien meines Erachtens im erkenntnistheoretischen Ansatz der traditionellen Musiktheorie sowie in der Auswahl der Gegenstände und Methoden zu suchen.

2.2.2.  Erkenntnistheoretische Ansätze

Das Verhältnis der Musiktheorie zu ihrem Gegenstand und ihr Ansatz, Erkenntnisse über Musik zu gewinnen und zu beschreiben, hat sich in der Zeit gewandelt. Die Musiktheorie begann als Handwerkslehre und entwickelte sich weiter, inspiriert durch Naturwissenschaften, Philosophie und Psychologie.

Im 18. Jahrhundert war es das Bestreben der Musiktheorie, das Handwerkszeug für Komponisten zu liefern, d.h. sie versuchte, Konzepte zu beschreiben, an denen sich ein Komponist orientieren konnte, nicht allgemeingültige Aussagen über musikalische Phänomene zu bestimmen. Bei der Beschreibung von Regeln für die Anordnung melodischer Einheiten wird in der Musiktheorie des 18. Jahrhunderts meist auf das musikalische ›Gefühl‹ Bezug genommen. Koch schreibt:

»die Stellen wo sich in der Melodie Ruhepuncte des Geistes äußern [... können ...] nur durch das Gefühl bestimmt werden.«14

14 Koch (1782-1793, Bd. 2, S. 349).

Das, was hier als Gefühl bezeichnet wird, entspricht aus moderner Sicht der Wahrnehmung und Kognition von Musik. Dieser Ansatz erscheint unter dem Aspekt, daß die hörende Wahrnehmung für die musikalische Struktur bestimmend ist, moderner als viele spätere Theorien.

Seit der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts wurde versucht, die Musiktheorie zu einer Wissenschaft weiterzuentwickeln. Eine der ersten Formulierungen des wissenschaftlichen Anspruchs an die Beschäftigung mit Musik stammt von Chrysander.15

Diese ›Verwissenschaftlichung‹ der Musiktheorie bestand vor allem in Versuchen, konsistentere und vollständigere Begriffs- und Regelsysteme zu entwickeln. In dieser Hinsicht führend war Hugo Riemann. Er prägte den Begriff der

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