Meyer.
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Auch Wilhelm Seidel stellt dies fest, wenn er sagt, daß eine normative Bestimmung des Begriffs
Rhythmus nicht möglich sei, es sei denn, man lasse beliebige zeitliche Verhältnisse als rhythmisch
gelten.
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Daher soll die Frage nach der geeigneten Definition des Begriffs Rhythmus hier nicht
weiter thematisiert werden. In dieser Arbeit wird der Begriff Rhythmus allgemein
für die zeitliche Anordnung von Ereignissen gebraucht, ohne damit konkrete
Eigenschaften dieser Anordnung zu implizieren. Darstellungen der verschiedenen
Definitionen und der historischen Entwicklung des Begriffs finden sich u.a.
in den Arbeiten von Wilhelm Seidel, Helga de la Motte-Haber und Gudrun
Henneberg.9
Die genannten Ansätze, Rhythmus zu definieren, zeigen aber, daß es zwei wichtige
Aspekte musikalischer Rhythmen gibt: Muster von Ereignissen, die sich als Sinneinheiten
aufeinander beziehen, und Regelmäßigkeiten in Ereignissequenzen, insbesondere
Wiederholungen in gleichmäßigen Abständen. Diese werden in der Musiktheorie durch
die Konzepte des rhythmischen Motivs, häufig auch nur Rhythmus genannt, und des
Metrums reflektiert. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht der motivisch-rhythmische
Aspekt. Metrische Fragen werden hier nur insoweit behandelt, als sie dafür von
Bedeutung sind.
2.2. Rhythmus in der Musiktheorie
2.2.1. Bedeutung der Rhythmik in der Musiktheorie
Rhythmik und Metrik fanden und finden in der Musiktheorie des westlichen
Kulturkreises relativ geringe Beachtung. In den Mittelpunkt wurde die Harmonik
gestellt. Rhythmische Fragen sind zwar von allen wichtigen Vertretern der traditionellen
Musiktheorie angesprochen, aber meist nicht vertieft worden. Dieser Mangel wurde
bereits im neunzehnten Jahrhundert festgestellt: Hugo Riemann datierte im Vorwort
seiner Theorie der Rhythmik und Metrik die
»merkwürdige Entdeckung, daß die neuere Musiktheorie über die einseitige
Vertiefung in die Probleme der Harmonik die zweite Hauptseite der Lehre
unserer Kunst, die Rhythmik, ganz und gar aus den Augen verloren habe,«10
auf das Jahr 1880 und sieht Rudolph Westphal als den ersten an, der diesen Mangel
erkannte.11
Riemann sah für die Lehre der Rhythmik im zwanzigsten Jahrhundert einen großen
Aufschwung voraus, der allerdings im wesentlichen ausblieb. Helga de la Motte-Haber stellte
1968 – also fast 90 Jahre nach der Veröffentlichung von Westphals
Allgemeiner Theorie der
Musikalischen Rhythmik – im Vorwort ihrer Untersuchung über die Klassifikation von
Rhythmen fest, daß sich an dem von Riemann beschriebenen Mißstand nicht viel geändert
habe.
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Die wenigen Untersuchungen konstatieren vor allem, daß eine allgemein anerkannte
Theorie und selbst