8. Interpretationen von Sequenzen
Zu den Ergebnissen der Wahrnehmung und Kognition von Rhythmen, wie sie im ersten
Teil dieser Arbeit betrachtet wurden, gehören die Einteilung von Motiven, die
Bestimmung von einander zugeordneten Motiven und die der Zuordnung ihrer Noten
sowie Informationen über die Art der einzelnen Zuordnung. Diese Informationen sind
nötig, um musikalisch sinnvolle Anwendungen auf der rhythmisch-motivischen Ebene zu
ermöglichen und werden im folgenden als eine strukturelle Interpretation rhythmischer
Sequenzen bezeichnet. Mit der strukturellen Interpretation ist noch nicht die
Interpretation eines Werkes durch einen ausführenden Musiker gemeint. Der
nachschaffenden künstlerischen Interpretation liegt zwar eine strukturelle Interpretation
zugrunde, sie baut auf dieser aber eine klangliche Umsetzung auf und muß davon
unterschieden werden. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit ist mit Interpretation immer
eine strukturelle Interpretation gemeint, soweit dies nicht anders angegeben
wird.
8.1. Erzeugung von Interpretationen
Die Interpretation von Eingaben durch das ISSM beruht auf der Erzeugung
und Bewertung von Interpretationsalternativen. Eine Interpretation muß alle
relevanten Informationen für die Bewertung enthalten. Außerdem müssen zusätzliche
Beschränkungen berücksichtigt werden, z.B. wenn keine Vorgabe zur Verfügung steht,
oder nur einzelne Teile zur Anwendung kommen sollen.
Die Interpretationen werden in drei Schritten erzeugt:
- Segmentierung der Sequenzen in Motive
- Zuordnung der Motive
- Zuordnung der Noten innerhalb der Motive
Dabei sind zwei Aspekte zu beachten: Einerseits sollen systematisch alle möglichen
Interpretationen bestimmt werden, um keine potentiell relevante Alternative
unberücksichtigt zu lassen. Andererseits ist es günstig, möglichst viele Interpretationen
auszuschließen, die als Lösung nicht in Frage kommen, damit der Aufwand der
Berechnung begrenzt wird. Dazu müssen die Verfahren der Generierung geeignet
aufgebaut, und die Parameter sinnvoll gewählt werden. Für die Reduktion der
Komplexität werden Filter auf den verschiedenen Stufen der Generierung verwendet, die
nicht plausible Interpretationen ausschließen. Dabei ist es wichtig, die Zahl der
Interpretationen möglichst frühzeitig im Prozeß der Erzeugung zu begrenzen, um
möglichst wenige Interpretationen zu erzeugen und zu bewerten, die später wieder
verworfen werden.