- 26 -Weyde, Tillman: Lern- und wissensbasierte Analyse von Rhythmen 
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2.4.1.  Hauptmanns Natur der Harmonik und der Metrik

Moritz Hauptmanns Abhandlung »Die Natur der Harmonik und der Metrik«61

erschien bereits 1853 und behandelte als eine der ersten wissenschaftlichen Abhandlungen intensiv das Thema Rhythmik und Metrik. Sein Ansatz beruht auf der Hegelschen Dialektik und verwendet das Prinzip des Dualismus bei der Interpretation rhythmischer Strukturen. Er geht von einem Zweiermotiv als Keimzelle aller Rhythmen aus. Es besteht aus zwei Noten und kann metrisch positiv oder negativ sein, d.h. auf der ersten Note betont oder auf der zweiten. Weitere Noten werden als Ersetzung einer Note durch ein untergeordnetes Zweiermotiv interpretiert. Er erhält dadurch bereits für ein Motiv aus drei Noten acht verschiedene Möglichkeiten der Gliederung in positive oder negative Zweiermotive. Aus den Betonungen auf den verschiedenen Ebenen ergeben sich differenzierte Betonungsmuster. Diese Betonungen korrespondieren nach Hauptmann mit der metrischen Betonung, d.h. er beschreibt metrische Betonungen durch binäre Bäume.

Obwohl Hauptmanns Werk seine umfangreiche Theorie ausführlich darstellt, stellt es letztlich kaum praktische Werkzeuge zur Analyse zur Verfügung. Er beschreibt nicht, wie die von ihm entworfenen Strukturen zu bestimmen sind. Er versucht vielmehr, eine ›Naturlehre‹ der Musik zu schaffen, indem er sich bemüht, bekannte Konzepte zu systematisieren und auf elementare Begriffe zurückzuführen. Die Analyse rhythmischer Verschachtelungen nach Hauptmanns System hat daher nur geringen praktischen Nutzen. Wahrscheinlich hat sich seine Methode aus diesem Grund in der Praxis nicht verbreitet, obwohl sie einflußreich für weitere Entwicklungen war.

2.4.2.  Riemanns System der Rhythmik und Metrik

Riemann versucht in seinem »System der musikalischen Rhythmik und Metrik«62

, eine Lehre der Anordnung von Motiven in melodische Einheiten aufzustellen. Grundlegend für sein System ist dabei die achttaktige Periode. Die Bestimmung der Motive sowie die Rückführung ihrer Beziehung und Anordnung auf das achttaktige Schema sind der wesentliche Inhalt seiner Analyse. Auch wenn Regelmäßigkeit, Wiederholung und Variation in der Wahrnehmung und Kognition von Musik unbestritten eine wichtige Rolle spielen, so ist doch die Reduktion auf dieses eine Schema häufig kritisiert worden. Riemann spricht bei der Darstellung seines Systems von musikalischer Logik und der geistigen Aktivität beim Hören von Musik. Er wendet sich damit gegen den aufkommenden psychologischen Positivismus, der sich als Behaviorismus im 20. Jahrhundert durchsetzte. Eine Trennung der Ebenen von Werk, Ausführung und Wahrnehmung nimmt er aber noch nicht vor, er wäre damit seiner Zeit auch weit voraus gewesen, sondern wechselt implizit beständig zwischen diesen Ebenen, um aus einer Kombination von Beobachtungen und Spekulationen auf diesen verschiedenen Ebenen eine ›richtige‹ strukturelle Beschreibung zu finden.

Riemann wendet sich gegen die Anwendung des Systems der griechischen Versfüße auf die Musik, da sie auf einer kleinsten rhythmischen Zeiteinheit beruhen,


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