- 27 -Weyde, Tillman: Lern- und wissensbasierte Analyse von Rhythmen 
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dem chronos protos. Die musikalische Metrik unterscheide sich eben von der poetischen durch die Unterteilbarkeit der Schläge, d.h. er vollzieht den Übergang von Z nach Q, und er spekuliert, daß die musikalische Metrik eine Verallgemeinerung der poetischen Metrik sei oder zumindest sein könne. Er setzt eine, jedem musikalischen Rhythmus zugrundeliegende, regelmäßige Zeiteinteilung voraus. Dabei zielt er allerdings auf eine abstrakte Zeiteinteilung ab und verweist darauf, daß eine Einteilung der Zeit beim Hörer nur dadurch zustandekommt, daß es sinnlich wahrnehmbare Ereignisse in der Zeit gibt. Deren erkennbare Regelmäßigkeit mache aber gerade den musikalischen Rhythmus aus. Hier argumentiert Riemann psychologisch, indem er das Erkennen als Kriterium angibt, führt diesen Ansatz aber nicht konsequent weiter. Riemanns Forderung, das Metrum anhand der konkreten Inhalte zu bestimmen, entspricht einer vom Hören ausgehenden Auffassung. Die konkreten Inhalte selbst sind allerdings auch Gegenstand des hörenden Erkennens, was Riemann jedoch nicht berücksichtigt. Er beschreibt die Markierung des Metrums durch den Interpreten, nicht aber den Prozeß der Erkennung durch den Hörer.

Riemann setzt voraus, daß es eine Hierarchie von Periodizitäten gibt, die in ganzzahligen Verhältnissen zueinander stehen und von denen bestimmte in der Wahrnehmung hervortreten. Er gibt den Bereich des normalen Tempos von 60 bis 120 MM an. Der Grundschlag eines Rhythmus wird durch die Periode bestimmt, die in diesen Bereich fällt. Die Erkennung von Metren durch den Hörer verläuft aber gerade umgekehrt, die Hierarchie der Periodizitäten muß erst vom Hörer aufgebaut werden.63

Sie ist in dem Sinne abstrakt, daß sie zwar durch die Ereignisse angeregt wird und diesen folgt, aber auch Erwartungen und Gewichtungen zu Zeitpunkten erzeugt, an denen sich keine Ereignisse befinden. Das Metrum entsteht erst durch die Aktivität des Hörers und ist eine subjektive Aufteilung der Zeit durch den Hörer. Obwohl Riemann die Aktivität des Hörers betont, berücksichtigt er sie nicht ausreichend, denn er geht vom Notentext aus, wo eine solche Hierarchie von Periodizitäten durch den Takt und die Notenwerte gegeben ist. Allein der Aspekt des Metrums macht deutlich, daß der Prozeß, der von einer Folge musikalischer Ereignisse zu einer empfundenen Regelmäßigkeit führt, komplexer ist als das, was Riemann ausführt.

Die konkreten Inhalte, die ein Metrum begründen, sind für ihn die thematischen Motive, deren Aufteilung die Gewichtung der Noten bestimmt. Dadurch, daß er anders als Hauptmann nur die auftaktige, nach Hauptmanns Terminologie metrisch negative Gliederung als Normalfall zuläßt, wird es ihm möglich, Rhythmik und Metrik in ein einheitliches System zu bringen. Dies führt jedoch zu Problemen, denn Riemann muß viele Motive als nicht auftaktig anerkennen und erklärt sie als Auslassungen, Zusammenziehungen, Dehnungen oder in anderer Weise von auftaktigen Motiven abgeleitet.

Riemanns System setzt die Taktrhythmik, d.h. ein Metrum, zwingend voraus. So bezeichnet Riemann den Begriff eines melischen Rhythmus, also eines Rhythmus ohne metrische Bindung, als Unsinn, da es ihn nach seiner Definition nicht geben kann. Sein Versuch, die Einheit von Metrum und Rhythmus zu erzwingen,


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