- 54 -Weyde, Tillman: Lern- und wissensbasierte Analyse von Rhythmen 
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Wahrnehmung und Produktion der sog. zeitlichen Mikrostruktur wieder besonders in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, weil die Verbreitung von Sequencer-Programmen ein neues Anwendungsfeld für Theorien und Algorithmen der metrischen Interpretation und der automatischen Notation bietet.104

Die Ausführung eines Musikstücks enthält gegenüber der Notation viele zusätzliche Informationen durch Agogik und Dynamik. Daher stellt sich die Frage, ob nicht die ausgeführte Musik Ausgangspunkt der Untersuchung musikalischer Phänomene sein sollte, wie dies etwa Caroline Palmer vorschlägt:

»Performance is a better starting point than a musical score for testing theories of many musical behaviors.«105

Einerseits lassen sich viele musikalische Strukturen in der Notation leicht erkennen, die sich nur aus der Ausführung nicht ohne weiteres bestimmen lassen. Andererseits gibt es auch Strukturen, die in der Untersuchung von Musik häufig unberücksichtigt bleiben, weil sie nicht unmittelbar in den Noten enthalten sind. Es gibt auch viele computergestützte Anwendungen, bei denen die Notation nicht zur Verfügung steht. So etwa bei improvisierter Musik, in vielen außereuropäischen Musikkulturen oder bei Benutzereingaben in interaktiven Computerprogrammen. Es ist daher sinnvoll, je nach Fragestellung die Partitur oder ihre Ausführung als Ausgangspunkt zu wählen.

3.6.1.  Struktur und Ausführung

Eine allgemein akzeptierte Hypothese ist, daß die Abweichungen des Interpreten von der metrischen Sequenz dazu dienen, musikalische Intentionen, d.h. strukturelle und emotionale Informationen, zu transportieren. Welche Arten von Abweichungen dabei welchen strukturellen und emotionalen Intentionen entsprechen, ist Gegenstand verschiedener Untersuchungen gewesen. Einen wesentlichen Einfluß auf die Interpretation hat die Einteilung der Motive und Phrasen durch den Interpreten. Daß am Ende eines formalen Abschnitts eine Verlangsamung stattfindet, entspricht der Erfahrung und ist zumindest bei größeren Einschnitten oft deutlich hörbar. Es ist naheliegend, daß dies auch für kleinere Einheiten gilt. Bereits Riemann beschreibt die Entwicklung eines Motivs in Musikalische Dynamik und Agogik als ein Ansteigen und Abfallen der Intensität und des Tempos:

»Mit dem crescendo der metrischen Motive ist stets eine (selbstverständlich geringe) Steigerung der Geschwindigkeit der Tonfolge und mit dem diminuendo eine entsprechende Verlangsamung verbunden.«106

106 Riemann (1884, S. 11).

Diese Annahme entspricht auch heute dem Stand der Forschung und wird durch entsprechende Daten gestützt. Repp konnte für einen Ausschnitt der Träumerei aus den Schumanns Kinderszenen zeigen, daß sowohl für die Agogik in 28 Interpretationen als auch für die ästhetische Bewertung durch Zuhörer eine parabolische Tempokurve ein gutes Modell ist.107

Ein ähnliches Modell wurde von Todd

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