- 53 -Weyde, Tillman: Lern- und wissensbasierte Analyse von Rhythmen 
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der Wahrnehmung, die durch die Rückkoppelung über das Gehör einen Einfluß auf die Ausführung haben. Auf sie soll hier zunächst eingegangen werden. Aber auch andere Faktoren beeinflussen die Agogik, wie etwa die musikalische Auffassung, die kommunikative Intention des Interpreten, sowie die Struktur und der emotionale Gehalt, die der Interpret dem Hörer vermitteln möchte.

3.5.2.  Auswirkungen von Wahrnehmungseigenschaften

Neben der Möglichkeit des Interpreten, eine spezielle Interpretation durch Agogik und Dynamik darzustellen, und zufälligen Schwankungen des motorischen Apparates und seiner Steuerung gibt es Nichtlinearitäten der Wahrnehmung von Zeitintervallen, die sich auf die Agogik auswirken. Gérard, Drake und Botte haben festgestellt, daß bei Folgen von gleichen Einsatzabständen der Abstand der letzten zur vorletzten Note regelmäßig zu kurz eingeschätzt wird. Wenn Versuchspersonen diesen Abstand nach Gehör so einstellen sollen, daß er so lang ist wie die vorherigen, wird er länger eingestellt.97

D.h. wenn ein Spieler versucht, gleichmäßig zu spielen, spielt er so, daß das Ergebnis sich gleichmäßig anhört, aber das Ergebnis unterscheidet sich von der physikalisch gleichmäßigen Sequenz. Carolyn Drake nennt diese Erklärung die Wahrnehmungshypothese und konnte sie für zeitliche Abweichungen empirisch untermauern.98 Weitere Untersuchungen, die ähnliche Zusammenhänge belegen, wurden von Penel und Drake99 sowie von Repp100 durchgeführt.

3.6.  Agogik und Dynamik

Die Auswirkungen der vom Interpreten gedachten musikalischen Struktur finden sich, wie oben bereits beschrieben wurde, in der Agogik und Dynamik. Sie lassen sich aber auch in der Motorik des Interpreten feststellen.101

Der Unterschied der ›mechanischen‹ Interpretation, d.h. der den notierten Werten entsprechenden metrischen Sequenz (in der englischsprachigen Literatur häufig als deadpan bezeichnet) und der Ausführung durch einen Musiker ist in den letzten zwei Jahrzehnten häufig untersucht worden. Zum einen mit dem Ziel, festzustellen, wie diese Abweichungen mit Eigenschaften der Musik und ihrer Interpretation zusammenhängen (expressive timing), zum anderen mit dem Ziel, die Abweichungen zu entfernen und eine musikalisch sinnvolle Quantisierung auf ein geeignetes Raster für musikalische Notation zu erhalten.

Die Beobachtung, daß die interpretierte Ausführung eines Stücks durch einen Musiker nicht der durch die Partitur definierten metrischen Sequenz102

entspricht, ist nicht neu. Bereits Riemann beschäftigte sich damit in Musikalische Dynamik und Agogik.103 Seit den achtziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts ist die

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