- 93 -Weyde, Tillman: Lern- und wissensbasierte Analyse von Rhythmen 
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5.1.7.  Musikalische Anwendungen neuronaler Netze

Neuronale Netze wurden für Musik auf sehr unterschiedliche Weise und in verschiedenen Kontexten eingesetzt. Es gibt im Bereich der Wahrnehmung, Verarbeitung und Produktion von Musik viele Phänomene, die sich bisher einer exakten Theoriebildung entziehen. Relevante objektive Informationen lassen sich nur durch Experimente mit Hörern oder Spielern gewinnen oder aus der Musik selbst, d.h. aus Notentexten oder festgehaltenen Aufführungen, z.B. in Form von MIDI- oder Audio-Daten. Die Prozesse, die zwischen den verschiedenen Ebenen wie dem Notentext, der Interpretation des ausführenden Musikers, der Reaktion des Hörers oder der Analyse durch einen Experten stattfinden, sind im allgemeinen nicht bekannt. Hier bieten sich neuronale Netze als subsymbolisches Verarbeitungsmodell und lernendes System an, insbesondere um grundlegende Phänomene der Wahrnehmung zu untersuchen, aber auch um höhere Verarbeitungsprozesse zu modellieren.

Im Bereich der Klangwahrnehmung wird versucht, die Erkennung von Klängen mit neuronalen Netzen zu simulieren, wie z.B. in den Arbeiten von Ichiro Fujinaga, Petri Toivianen oder Christian Spevak.23

Im Bereich der auditiven Wahrnehmung wurden auch neurophysiologische Modelle verschiedener Teilbereiche vorgeschlagen, insbesondere Neil Todd hat hier interessante Ansätze vorgelegt.24 Es sind auch Modelle mit einer speziellen Struktur für bestimmte Bereiche entwickelt worden, die keine verteilte Repräsentation benutzen, wie der konnektionistische Quantisierer von Peter Desain und Henkjan Honing und das harmonische Modell von Jamshed Bharucha25 .

Für Tonsysteme und Tonalität wurde vor allem daran gearbeitet, tonale Grundstrukturen der Musik als Folge elementarer Voraussetzungen der menschlichen auditiven Wahrnehmung zu erklären; d.h. man versucht, mit neuronalen Netzen die Entstehung tonaler Strukturen nachzuvollziehen, wie z.B. in den Arbeiten von Marc Leman, Taylor und Greenhough sowie Bharucha und Todd.26

Auch harmonische Prozesse wurden untersucht. Eine der bekanntesten Anwendungen ist das System HARMONET von Herrmann Hild, Johannes Feulner und Wolfram Menzel für die Harmonisierung von Chorälen im Stil Johann Sebastian Bachs.27

Obwohl die Harmonik in der Musiktheorie der am besten systematisch untersuchte Bereich ist, zeigt auch die computergestützte Harmonisierung, daß sich bestimmte Entscheidungen mit bisherigen Mitteln regelbasiert nicht zuverlässig treffen lassen. Die Aufgabe der Harmonisierung von Chorälen hatte bereits 1986 Kemal Ebcioglu mit einem regelbasierten Expertensystem bearbeitet.28 Dabei zeigte sich, ähnlich wie bei der Umsetzung des Fuxschen Regelwerks durch Schottstaedt,29 daß es sehr schwierig ist, ein Regelwerk zu formulieren, das alle Aspekte der Harmonisierung abdeckt. Insbesondere die Beziehungen der Regeln untereinander sind schwer zu bestimmen. HARMONET ist mehrstufig aufgebaut

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